Gaming-Markt

Die Videospiel­branche profitiert von mehreren Boosts

Ein gewaltiges Gemetzel steht stellvertretend für einen der größten Entertainment-Trends des Jahrzehnts: Im Online-Videospiel „Fortnite“ liefern sich innerhalb einer Spielwelt bis zu 100 Spieler gleichzeitig mit einer Vielzahl an Waffen brutale...

Die Videospiel­branche profitiert von mehreren Boosts

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Ein gewaltiges Gemetzel steht stellvertretend für einen der größten Entertainment-Trends des Jahrzehnts: Im Online-Videospiel „Fortnite“ liefern sich innerhalb einer Spielwelt bis zu 100 Spieler gleichzeitig mit einer Vielzahl an Waffen brutale Schlachten. Bei einem vom Entwickler Epic Games ausgerichteten Event kamen Anfang Dezember weltweit insgesamt fast 15,3 Millionen Zocker digital zusammen, 3,4 Millionen weitere schauten über die Plattformen Youtube und Twitch zu.

Epic ist ein Vorreiter in einer Branche, der sich in den vergangenen Jahren enorm starke Wachstumspotenziale erschlossen haben. Laut dem Vermögensverwalter Fidelity International soll das Volumen des globalen Videospielmarkts im laufenden Jahr auf über 180 Mrd. Dollar steigen – im Jahr 2012 waren es noch gut 70 Mrd. Dollar. Diese Aussichten schlagen sich auch an der Börse nieder: Die Aktien großer Publisher wie Take-Two Interactive, Activision Blizzard und Ubisoft haben über das vergangene Jahr hinweg Kursanstiege von 60 bis 70% hingelegt, im Gegensatz zu vielen Titeln aus anderen Boom-Branchen bescheinigt der Großteil der Analysten ihnen aber noch viel Luft nach oben.

Natürlich hat die Coronakrise dem Segment noch einmal einen Boost verliehen, da in Lockdown-Zeiten viele Freizeitbeschäftigungen nicht mehr möglich sind. Vor allem spielt aber eine Veränderung der Ge­schäftsmodelle für das Wachstum der Branche eine entscheidende Rolle: Die Gaming-Produzenten kehren zunehmend davon ab, Titel für 50 Euro oder mehr anzubieten und Kunden in regelmäßigen Abständen mit Neuerscheinungen zu locken. Stattdessen stehen Spiele wie „Fortnite“ kostenlos zum Download zur Verfügung, Einnahmen generieren die Anbieter aus In-Game-Käufen. Gamer zahlen also stetig für neue Handlungsinhalte, Outfits für ihre Spielfiguren, Waffen oder Designs. So werden Videospiele weitaus länger monetarisierbar als nach dem Modell der Einmalinvestition.

Soziales Zocken im Trend

Hinzu kommen weitere Trends wie das Social Gaming – also Multiplayer-Angebote, die häufig mit sozialen Netzwerken verknüpft sind. Diese lassen sich für die Hersteller ideal mit der In-Game-Monetarisierung verbinden. Schließlich verlängert sich die Verweildauer der Nutzer bei einem Titel, wenn sie über das Spiel Bekanntschaften knüpfen und mit diesen in Kontakt bleiben wollen. Zudem führt die soziale Interaktion in der virtuellen wie auch in der realen Welt zu einer Art Statusdenken: Neue Outfits und Ausrüstungen für die Spielfigur bedeuten häufig Imagegewinne – die Bereitschaft, für entsprechende Inhalte Geld auszugeben, wächst also.

„Fortnite“-Produzent Epic ist zwar noch nicht börsennotiert, doch auch gelistete Branchenvertreter haben das Potenzial von In-Game-Käufen und den Online-Trend erkannt. Der US-Entwickler Take-Two Interactive bietet beispielsweise eine reine Online-Erweiterung seiner beliebten Wild-West-Reihe „Red Dead Re­demption“ an, die unabhängig von vorherigen Titeln gezockt werden kann. Ebenso ist der Konkurrent Activision Blizzard mit „Warzone“, einer Online-Erweiterung seiner Ego-Shooter-Serie „Call of Duty“, verfahren. Zudem hat Activision mit „Call of Duty: Mobile“ bereits eine Aufgabe bewältigt, an der viele Publisher arbeiten: die Portierung erfolgreicher Konsolen- oder PC-Spiele auf das Smartphone. Die geringere Leistungsfähigkeit von Mobiltelefonen, der kleinere Bildschirm und Unterschiede bei der Steuerung machen dies in vielen Fällen noch schwierig. Weil Mikroprozessoren aber auch für Smartphones zunehmend leistungsfähiger werden und der neue 5G-Mobilfunkstandard an Verbreitung gewinnt, liegt im Mobile Gaming noch viel Innovationspotenzial.

Neben Activision hat beispielsweise auch Nintendo in den vergangenen Jahren große Erfolge in diesem Segment eingefahren. Mit seiner App „Pokémon Go“, über die Spieler an realen Orten virtuelle Fantasiewesen fangen können, stellte der japanische Konzern seine „Pokémon“-Reihe auf einen Schlag neu auf. Auch für kleinere Anbieter birgt der Vormarsch des Mobile Gamings indes immense Vorteile, da die Distributionswege ausgeglichener sind als bei Konsolenspielen und sich Apps wesentlich einfacher platzieren lassen.

Die Bedeutung von Spielekonsolen wird aber wohl nicht nur aus diesem Grund langfristig abnehmen, sondern auch, weil ihre Hersteller Marktmacht verlieren. Noch vor einigen Jahren konnten Playstation- und Xbox-Spieler online nicht ge­geneinander antreten, „Fortnite“ hat diese Barriere allerdings eingerissen. Für Sony und Microsoft fallen damit exklusive Vermarktungsmöglichkeiten weg. Ohnehin dürfte der Trend zum Cloud-Gaming potente Hardware irgendwann überflüssig machen. Die Publisher sollten im Gegensatz zu den Hardware-Produzenten hingegen vom Cloud-Gaming profitieren, da dieses Videospiele für eine größere Zahl an Nutzern zu­gänglich machen dürfte.

Natürlich sind Investitionen in die Aktien der Spieleentwickler nicht risikofrei. Einerseits können negative Überraschungen drohen, wenn Altersfreigaben höher angesetzt werden als angenommen. Und wenn neue Inhalte ganz floppen, kann das den Aktienkurs stark belasten. Jüngstes Beispiel dafür ist der polnische Entwickler CD Projekt, der Gamer mit seinem lang erwarteten Spiel „Cyberpunk 2077“ Ende des vergangenen Jahres herb enttäuschte.