Zertifikatemarkt

„Gut aufgestellt auch in Krisenzeiten“

Der rund 70 Mrd. Euro schwere deutsche Zertifikatemarkt ist laut Scope auch in Krisenzeiten „gut aufgestellt“. Insbesondere profitierten Anlagezertifikate aktuell von steigenden Zinsen und höheren Volatilitäten. Auch für 2023 stuft Scope Zertifikate als interessanten Portfoliobaustein ein.

„Gut aufgestellt auch in Krisenzeiten“

wrü Frankfurt

Analysen zum deutschen Zertifikatemarkt sind selten. Nun hat sich Scope Analysis in einer ausführlichen Studie mit diesem befasst. Dabei kommt die Analystin Andrea Vathje zu einem positiven Urteil. Denn sie sieht den Zertifikatemarkt Deutschlands „gut aufgestellt auch in Krisenzeiten“.

Die vergangenen zwölf Monate hätten vielen Anlegern Verluste ge­bracht. „Doch Zertifikate-Emittenten konnten der schwierigen Zeit etwas Positives abgewinnen“, stellt Vathje fest. „Sie nutzten die gestiegenen Zinsen und die hohe Volatilität, um Papiere zu guten Konditionen an­zubieten.“ Im abgelaufenen Jahr hätten sowohl Aktien als auch Anleihen in der Breite nachgegeben. Doch eine Produktart habe 2022 ihre Vielseitigkeit ausgespielt: „Zertifikate-Emittenten konnten so gute Konditionen anbieten wie lange nicht mehr“, betont Scope. Denn gerade die beiden größten Belastungsfaktoren für die breiten Aktien- und Rentenmärkte – gestiegene Zinsen und erhöhte Volatilität – seien für verschiedene Zertifikategattungen vorteilhaft. So hätten sich die höheren Zinsen positiv auf die Konditionen von strukturierten Anleihen wie Festzinsanleihen ausgewirkt. Die Emittenten von Zinsprodukten berichteten, dass die Nachfrage im vergangenen Dreivierteljahr stark angezogen habe. „Sollten die Zinsen weiter steigen und die Inflation hoch bleiben, ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzt“, analysiert Vathje.

Gleichzeitig habe das Umfeld mit hoher Volatilität über weite Teile des Jahres attraktive Konditionen bei den sogenannten Seitwärtszertifikaten wie Discount-Zertifikaten, Ak­tienanleihen oder Expresszertifikaten ermöglicht. Da der Investor von Seitwärtszertifikaten über die Produkte implizit Volatilität verkaufe, profitiere er bei starken Kursschwankungen von den erhöhten Optionsprämien.

Nach der Erholung der Aktienmärkte seit Mitte Oktober 2022 seien die Volatilitäten aktuell zwar wieder etwas zurückgegangen. „Die Kombination von geringen Schwankungen bei gleichzeitig relativ hohen Zinsen gibt den Investoren das erste Mal seit gut einem Jahrzehnt die Möglichkeit, in kapitalgeschützte Zertifikate mit 100% Kapitalschutz und 100% Partizipation an der Upside des Basiswertes (bis zu einem Cap) zu investieren“, stelllt Vathje fest.

Die genannten Entwicklungen beträfen den Markt für Anlagezertifikate, die sich an mittel- bis langfristig orientierte Investoren richten. Ge­messen am ausstehenden Volumen mache dieser den Löwenanteil des rund 70 Mrd. Euro schweren deutschen Zertifikatemarkts aus: 96% sind hier investiert. Käufer von Anlageprodukten hätten typischerweise einen längerfristigen Investmenthorizont und seien häufig Beratungskunden. „Auf der Anbieterseite wird dieser Markt von Emittenten aus dem öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Sektor mit großem Vertriebsnetz dominiert“, so Scope. „Gemessen am ausstehenden Volumen sind die größten Akteure DekaBank, DZ Bank, LBBW und Helaba, die gemeinsam mehr als drei Viertel des ausstehenden Volumens am deutschen Zertifikatemarkt auf sich vereinen.“

Zu den beliebtesten Gattungen unter den Anlagezertifikaten zählten Expresszertifikate mit einem Marktanteil von 29% und strukturierte Anleihen mit 32%. Insofern dominieren defensiv ausgerichtete Produkte.

Auch wenn der übrige Teil, der Markt für Hebelprodukte, bezogen auf das ausstehende Volumen deutlich kleiner sei, spiele hier die Musik in puncto Börsenumsätze: „Hebelprodukte sind für rund 80% der Umsätze verantwortlich“, betont Vathje. In diesem Marktteil sind laut Scope ebenfalls auffällige Entwicklungen im laufenden Jahr erkennbar. Zum einen seien die Umsätze an den Zertifikatebörsen höher als vor der Coronakrise. Während vor 2020 monatlich zwischen 2,5 und 4 Mrd. Euro an den Börsen gehandelt worden seien, liege das durchschnittliche monatliche Ordervolumen aktuell über 4 Mrd. Euro, in volatilen Marktphasen sogar über 6 Mrd. Euro.

Auch für 2023 interessant

„Zum anderen ist 2022 eine Verschiebung weg von Aktien-Basiswerten hin zu Index-Basiswerten erkennbar“, stellt Scope fest. Gerade in volatilen Börsenmonaten mit negativer Tendenz sei der Anteil an gehebelten Indexzertifikaten überproportional gewachsen. Diese Verschiebung lasse sich in unruhigen Märkten sehr häufig beobachten. Ein Grund dafür sei, dass in stark schwankenden Märkten viele Anleger nicht die Notwendigkeit sehen, auf Einzelaktien zu spekulieren, da bereits im Index genügend Bewegung sei. Gleichzeitig steige in volatilen Marktphasen der Bedarf an Absicherungen von Portfolien über Hebelprodukte, die typischerweise auf Basis von Indexprodukten erfolgten.

Angesichts des geopolitischen Umfelds sowie der Unsicherheit über die Inflationsdynamik würden Analysten für 2023 ein volatiles Marktumfeld erwarten. Vathje wörtlich: „Vor diesem Hintergrund erscheinen Zertifikate, die von schwankenden Märkten profitieren können, auch im kommenden Jahr als interessanter Portfoliobestandteil.“

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