Emerging Markets

Gute Aussichten für Schwellenländerdevisen

Während 2020 durch eine expansive Geldpolitik sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern gekennzeichnet war, traten zuletzt Unterschiede zutage. Die weltweit wichtigsten Notenbanken haben sich unter Tolerierung eines vorübergehenden...

Gute Aussichten für Schwellenländerdevisen

Von Stefan Scheurer*)

Während 2020 durch eine expansive Geldpolitik sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern gekennzeichnet war, traten zuletzt Unterschiede zutage. Die weltweit wichtigsten Notenbanken haben sich unter Tolerierung eines vorübergehenden Inflationsanstiegs klar für eine Beibehaltung ihrer akkommodierenden Politik ausgesprochen. Die Zentralbanken einiger Schwellenländer – etwa in der Türkei, Brasilien und Russland – haben hingegen begonnen, einen strafferen Kurs zu verfolgen, um Inflations- sowie Finanzmarktstabilitätsrisiken zu begegnen, aber auch um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. Den Wendepunkt stellten die Monate März und April dar, als unserem Emerging Markets Diffusion Index zufolge die Leitzinsanpassungen in den Schwellenländern zum ersten Mal seit Anfang 2019 in Summe positiv waren.

Verfestigte Divergenz

Im weiteren Verlauf dieses Jahres dürfte sich diese Divergenz verfestigen. Was bedeutet dies für die Wechselkurse der Schwellenländer? Zur Beantwortung dieser Frage hilft ein Blick auf die Inflationsdynamik, die (konjunkturelle) Entwicklung in den USA und die jeweilige Lage hinsichtlich der Corona-Pandemie. Zum Thema Inflation: Global wird die Teuerung angesichts starker Basiseffekte, eines Anziehens der Rohstoffpreise (wovon Exportnationen wie Russland und Brasilien profitieren), schrumpfender weltweiter Produktionslücken und zunehmender Nachfrage-/Angebotsengpässe anziehen. Während noch offen ist, wie nachhaltig der reflationäre Trend ist, zeigen die mittel- bis längerfristigen Inflationsrisiken eindeutig nach oben. Hierfür sprechen nicht zuletzt das übermäßige Geldmengenwachstum, strukturelle Faktoren (Stichwort De-Globalisierung), die veränderte Reaktionsfunktion der Zentralbanken und allmählich steigende Inflationserwartungen. Ein absehbarer Anstieg der Inflation dürfte dazu führen, dass noch mehr Zentralbanken der Schwellenländer Zinserhöhungen ins Auge fassen. Dies wiederum wirkt sich positiv auf ihre Währungen aus. Eine Ausnahme hiervon könnte Asien sein, wo sich die Geldpolitik unseres Erachtens in nächster Zeit nicht bewegen dürfte, auch wenn sich einige dieser Länder dank einer besseren Eindämmung der Pandemie, effektiver fiskalischer Unterstützung und starker Exporte als relativ widerstandsfähig erwiesen haben.

Zyklische Outperformance

Blicken wir nun auf die USA: Die zyklische Outperformance der US-Wirtschaft war zuletzt sicherlich stützend für den Dollar (Stichwort US-Exzeptionalismus). Gleichzeitig haben sich aber auch Abwärtsrisiken für den Greenback aufgetan, infolge einer möglichen fiskalischen Überstimulierung und eines Wiederauflebens der Diskussion um die Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen. Für die meisten Schwellenländer-Währungen sind eine globale Konjunkturerholung und ein leicht schwächerer US-Dollar hilfreich.

Pandemierisiken

Drittens schließlich die Pandemielage: Die aktuelle Situation in Indien zeigt die pandemiebedingten Risiken, die vor allem in Schwellenländern fortbestehen. Ein erneutes Ansteigen der Infektionen – neben Indien gibt es steigende Inzidenzen vor allem in Brasilien, Kolumbien, Chile und der Türkei – setzt die Schwellenländer-Währungen unter Druck. Beim Thema „Herausimpfen aus der Krise“ hinken sie den Industrieländern deutlich hinterher, wobei sie bis Jahresende aber Fortschritte machen sollten.

Attraktive Bewertungen

In diesem Umfeld erscheinen derzeit die Währungen derjenigen Schwellenländer am attraktivsten, die ein zyklisches und/oder Rohstoff-Exposure sowie attraktive Bewertungen aufweisen: Beispiele sind der russische Rubel (höhere Verzinsung), der mexikanischen Peso (US-Wachstums-Exposure) oder der südafrikanische Rand (Rohstoffpreise). Der Ausblick für den chinesischen Renminbi bleibt zwar grundsätzlich positiv, die Währung scheint nun aber weitgehend fair bewertet, so dass der stärkste Aufwärtstrend vorüber sein dürfte.

Stabiles Umfeld

Bei anderen asiatischen Währungen bleiben wir hingegen zurückhaltend. Die Region erfreut sich allerdings eines relativ stabilen makroökonomischen Umfelds, wobei die nordostasiatischen Währungen und der Singapur-Dollar attraktiver erscheinen als die süd- und südostasiatischen Währungen. Generell unterstützende Faktoren sind die vergleichsweise bessere Eindämmung der Covid-19-Pandemie, die effektivere Einführung von Impfstoffen, eine stärkere Exportdynamik, Überschüsse in der Leistungsbilanz sowie ein günstigerer Ausblick für die Kapitalbilanz.

Zeit ist günstig

Insgesamt erscheint aus Investorensicht die Zeit günstig, einen Blick auf Schwellenländer-Währungen zu werfen. Die zuletzt wieder etwas abgekühlte Debatte über eine bevorstehende monetäre Straffung in den USA hat zu einer Stabilisierung der US-Zinsen und einem in der Folge etwas schwächeren US-Dollar geführt. Hinzu kommt, dass sich die Wachstumsaussichten der Schwellenländer aufhellen, nachdem diese Volkswirtschaften bislang dem Aufschwung in den Industrieländern hinterhergehinkt sind. Mit einer beginnenden Konvergenz von Inflation und Wachstum dürfte dies in der zweiten Jahreshälfte 2021 Aufwertungsspielräume für einige Schwellenländer-Währungen eröffnen.

*) Stefan Scheurer ist Senior Economist Emerging Markets bei AllianzGI.