Rekordverlust

Historischer Einbruch bei Schwellenländeranleihen

Die Kurse von Schwellenländeranleihen haben einen Einbruch in historischem Ausmaß erlitten. Inzwischen bieten hohe Renditen einen großen Risikopuffer für die bestehenden Unsicherheiten.

Historischer Einbruch bei Schwellenländeranleihen

Von Janis Hübner*)

Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern zählten über lange Zeiträume regelmäßig zu den Anlageklassen mit den besten Erträgen in den Rentensegmenten. Sie mussten auch den Vergleich mit Aktienergebnissen nicht scheuen. Dass überhaupt einmal ein Jahr mit Verlust abgeschlossen wird, ist für Schwellenländeranleihen selten. Selbst das Coronakrisenjahr 2020 endete für den J.P. Morgan EMBIG Diversified mit einem versöhnlichen Plus von 5%. Am schlimmsten erwischte es Schwellenländeranleihen im Jahr der globalen Finanzkrise (2008), als sie einen Verlust von 12% verkraften mussten. Das Jahr 2022 dürfte diesen Rekordverlust mit Leichtigkeit übertreffen. Bislang liegt das Minus über der 23-Prozent-Marke.

Trotz dieser historisch schwachen Performance und obwohl einige Schwellenländer in einer tiefen Wirtschaftskrise stecken, wird 2022 nicht als das Jahr der großen Schwellenländerkrise in die Kapitalmarktgeschichte eingehen. Es ist vor allem das Jahr der großen globalen Zinswende. Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins innerhalb von sechs Monaten um 300 Basispunkte (BP) angehoben, und sie wird bis Jahresende den Zins weiter erhöhen. Eine Straffung in diesem Tempo hat es in der größten Volkswirtschaft der Welt zuletzt in den siebziger Jahren gegeben. Mit ihren schnellen und hohen Zinsschritten hat die Fed die Märkte kalt erwischt. Allein der dadurch ausgelöste Anstieg der US-Renditen hat bei Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern im bisherigen Jahresverlauf zu einem Kursverlust von über 15% geführt. Hinzu kamen Verluste durch den Anstieg der Risikoprämien. Der EMBIG-Div.-Spread stieg um gut 160 BP auf über 530 BP.

Ein solches Spreadniveau weist auf hohe Unsicherheit hin, doch von einer allgemeinen Panik unter Schwellenländerinvestoren kann keine Rede sein. Stattdessen unterscheiden die Märkte sehr genau. Die Anleihen von Emittenten mit einem Investment-Grade-Rating, die gut die Hälfte der Indexgewichtung ausmachen, hatten nur einen moderaten Spreadanstieg von 30 BP zu verzeichnen, während die Spreads der schwachen Emittenten um mehr als 300 BP anstiegen. Bei zehn Emittenten lag der Anstieg teilweise deutlich über 1000 BP. Allein der Kurseinbruch bei russischen Staatsanleihen hat im EMBIG Div. die Performance um 2,5 Prozentpunkte belastet. Da Russland mittlerweile aus dem Index ausgeschlossen wurde, kann der Verlust nicht mehr aufgeholt werden.

Mehr Länder in der Krise

Gerade bei schwachen Emittenten spielt sich hinter den Spread­anstiegen oftmals ein regelrechter wirtschaftlicher Zusammenbruch ab. Sehr häufig sind diese Krisen im Kern ein Versagen der jeweiligen Regierungen, die wie beispielsweise in den Fällen des Libanon oder Sri Lankas lange versucht haben, durch externe Schuldenaufnahme Zeit für ihr politisches Überleben zu gewinnen, anstatt Reformen durchzuführen. Doch mit der Pandemie, der massiven Verteuerung von Energie und dem Zinsanstieg haben externe Faktoren den Krisenverlauf beschleunigt, auf die die Länder kaum Einfluss nehmen können. Zwar stehen der Internationale Währungsfonds und andere Geldgeber grundsätzlich für Hilfe bereit, allerdings ist diese an Reformbedingungen gebunden, die für einige Länder schwer zu erfüllen sind und in der Regel eine Restrukturierung der Staatsschulden beinhalten.

Die kommenden Quartale bieten kaum Aussicht auf Besserung. Die Kombination aus weltweit hoher Inflation und Straffung der Geldpolitik insbesondere in den USA und Europa macht in vielen europäischen Ländern eine Rezession sehr wahrscheinlich und auch in den USA ist das Risiko dafür hoch. China hat mit einer Immobilienkrise zu kämpfen und die Wirtschaft leidet dort unter der strengen Null-Covid-Strategie der Regierung. Die Ölpreise dürften trotz des schwachen Ausblicks für die Weltwirtschaft nicht massiv nachgeben, weil die Opec im Falle eines Nachfragerückgangs das Angebot einschränken dürfte.

Die Europäische Union wird mit ihrer großen Wirtschaftskraft viele schwächere Nachfrager aus dem globalen Flüssiggasmarkt verdrängen. Die Ausweitung der Produktions- und Transportkapazitäten für Flüssiggas dürfte mittelfristig den Markt wieder ins Gleichgewicht bringen, doch diese Anpassung benötigt Zeit. Eine weitere Herausforderung ist, dass als Folge immer häufiger auftretender Ex­tremwetterlagen sowohl Dürren als auch Überschwemmungen zunehmen, unter denen oftmals die wirtschaftlich schwächsten Länder am stärksten leiden. Last but not least lassen die „großen“ Zentralbanken kaum einen Zweifel daran, dass sie die Geldpolitik weiter straffen werden.

Fed wird es nicht richten

Die Finanzmärkte versuchen seit einiger Zeit, den Blick bereits über den aktuellen Straffungszyklus hinaus zu richten. Die Wirtschaftsschwäche ist in vielen Regionen bereits spürbar und hätte zu anderen Zeiten bereits eine Diskussion über Zinssenkungen zur Folge gehabt. Die Fed hat jedoch bereits klargemacht, dass sie eine Rezession als Folge ihres Politikkurses einkalkuliert und die Zinsen erst dann wieder senken wird, wenn sie bei der Inflationsbekämpfung klare Erfolge sieht. Die Unsicherheit darüber, wie es mit der Inflation weitergeht, besteht schon seit längerem. Doch diese Unsicherheit hat nun nicht mehr Zögerlichkeit, sondern – im Gegenteil – besondere Entschlossenheit zur Folge. Dies bedeutet aber auch, dass das Ende des Renditeanstiegs bei mittleren und längeren Laufzeiten schwer zu bestimmen ist.

Trotz aller Unsicherheit spricht vieles dafür, dass es bereits in der ersten Jahreshälfte 2023 zu deutlichen Rückgängen bei den Inflationsraten kommen wird, weil starke Basiseffekte wirken. Dies dürfte es den Notenbanken zumindest ermöglichen, die Zinsen stabil zu halten, statt sie weiter anzuheben. Die Anleihemärkte haben bereits ein hohes Maß an Straffung eingepreist, so dass die Risiken bei der Renditeentwicklung keineswegs eindeutig nach oben gerichtet sind.

Ähnlich sieht es für die Spreadentwicklung aus. Der makroökonomische Ausblick spricht dafür, dass gerade die schwächsten Bonitäten noch stärker unter Druck geraten und weitere Länder ihre Schulden restrukturieren müssen. Ein weiterer Spreadanstieg erscheint daher wahrscheinlich. Die Krise dieser Länder hat aber bereits zu einem Verfall der Anleihekurse geführt, der sowohl die mögliche Fallhöhe reduziert als auch deren Marktanteil verringert hat. Es wird zudem immer deutlicher werden, welchen Ländern die Anpassung gelingt, womit sich die eingepreiste Unsicherheit reduzieren wird. Auf Sicht eines Jahres erscheinen die Chancen für Spreadeinengungen nicht geringer als das Risiko einer weiteren Ausweitung.

Für die bestehende Unsicherheit gibt es zudem einen beträchtlichen Risikopuffer: Die durchschnittliche Rendite liegt bei 9,4% – man muss bis zur Finanzkrise 2008/09 zurückgehen, um solche Werte zu finden. Ein ähnlich klares Einstiegssignal wird man in der aktuellen Nachrichtenlage kaum finden – schon gar nicht von der Fed.

*) Janis Hübner arbeitet im Makro Research der DekaBank.