Wohnungsmarkt

Immobilien­aktien unter Druck

Die gestiegenen Zinsen setzen den Wohnimmobilienaktien schwer zu. Durch ihren Kursverfall ist die negative Marktentwicklung aber zu einem großen Teil bereits eingepreist.

Immobilien­aktien unter Druck

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Mit kräftigen Kursgewinnen haben die deutschen Wohnimmobilienaktien am Freitag auf sich aufmerksam gemacht. Vonovia legten um 6,5% zu und waren damit die stärkste Aktie des Dax. Im MDax setzten sich LEG Immobilien (6,2%) an die Spitze, TAG Immobilien (4,7%) waren der zweitstärkste Indexwert. Der Höhenflug des Segments verdeutlicht, wie seine Performance an der Entwicklung am Anleihemarkt hängt. Denn die Aktien wurden von einem sehr starken Rückgang der Anleiherenditen getrieben.

Deutliche Kursverluste

Die feste Tagestendenz kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einstige Vorzeigebranche des deutschen Aktienmarktes zu den Verlierern dieses Jahres zählt. Sie ist in den zurückliegenden Monaten im Zuge des deutlichen Anstiegs von Zinsen und Anleiherenditen stark unter Druck geraten. So notiert etwa die Aktie des Branchenprimus Vonovia derzeit bei 30,84 Euro, womit sie seit dem Jahresbeginn 36,4% eingebüßt hat. Im September 2020, im Minusrenditenumfeld, erreichte der Wert sogar Höhen von mehr als 58 Euro. LEG Immobilien haben in diesem Jahr 30% verloren, TAG Immobilien und Patrizia 57,9% und 36,2%.

Preisanstieg gestoppt

Das schwieriger gewordene Um­feld macht sich zunehmend auch am Wohnimmobilienmarkt bemerkbar. In den ersten Monaten des Jahres haben die Preise zwar zunächst ihren jahrelangen Höhenflug, in dem sie ohne Ausnahme jeden Monat gestiegen sind, fortgesetzt. Zuletzt ist er jedoch zum Erliegen gekommen. Nach einem nur noch minimalen Anstieg im Mai ist der Index der Eigentumswohnungspreise von Europace im Juni um 0,3% gesunken. Es ist der erste monatliche Preisrückgang seit dem Januar 2019. Mit Verzögerung machen sich die gestiegenen Hypothekenzinsen be­merkbar. Konnte vor nicht allzu langer Zeit noch mit einem Zins von 1% für einen zehnjährigen Hypothekenkredit kalkuliert werden, sieht die Rechnung bei Zinsen, die Höhen um 3% erreicht haben, ganz anders aus. Aus einer monatlichen Zinsbelastung von beispielsweise 600 Euro sind mittlerweile 1800 Euro geworden. Im Ergebnis sind Eigentumswohnungen für viele Interessenten dadurch nicht mehr erschwinglich. Damit sich das wieder verändert, müssten entweder die Zinsen wieder deutlich sinken oder die Immobilienpreise nachgeben.

Der Geschäftsführer von Immoscout24, Thomas Schroeter, sprach in der zurückliegenden Woche von einer Trendwende. Die Nachfrage nach Kaufimmobilien sei im zweiten Quartal im Vorjahresvergleich um 36% eingebrochen, das Angebot um 46% gestiegen, Inserate blieben länger online. Die Kaufpanik, mit der der Markt im vergangenen Jahr leer gefegt wurde, ist verflogen. Stattdessen sind nun Mietwohnungen sehr stark gefragt. Laut Immoscout24 ist hier die Nachfrage im Vorjahresvergleich um 48% gestiegen.

Aufwertung fällt weg

Nun sind die neuen Nöte der privaten Immobilienkäufer nicht eins zu eins auf das Geschäftsmodell der Wohnimmobilienkonzerne übertragbar. Dennoch werden sie von der Entwicklung belastet. So haben sich auch für sie die Finanzierungskosten erhöht. Vor allem aber können sie nun nicht mehr wie in den zurückliegenden Jahren auf stark steigende Wohnungspreise setzen. Der jahrelange Kursaufschwung beruhte zu einem wesentlichen Teil darauf, dass die Unternehmen ihre Wohnungsbestände regelmäßig aufgewertet haben. Nun befürchtet der Markt, dass möglicherweise sogar Bewertungskorrekturen notwendig werden könnten.

Zwischen den Immobilienpreisen und den Aktienkursen der Wohnimmobilienunternehmen gibt es allerdings einen wesentlichen Unterschied. Während die Wohnungspreise (noch) nicht wesentlich nachgegeben haben, haben die Wohnimmobilienaktien durch ihren Kursverfall die negative Marktentwicklung be­reits zu einem großen Teil vorweggenommen.

Hohe Dividendenrenditen

Entscheidend wird sein, wie stark eine etwaige Preiskorrektur am Immobilienmarkt ausfallen wird, was von der schwer einzuschätzenden Zinsentwicklung und dem Ausmaß der wirtschaftlichen Abschwächung abhängt. Hinzu kommen Risiken in Form von Mietausfällen, weil die explodierten Energiepreise Mieter sehr stark belasten und zum Teil finanziell überfordern. Da all dies aber wie gesagt zu einem großen Teil schon eingepreist ist, könnten sich interessante Einstiegsgelegenheiten anbahnen. Wohnimmobilienkonzerne zeichnen sich durch regelmäßige und weitgehend voraussehbare Einnahmen aus, auch wenn diesbezüglich demnächst eventuell teilweise Abstriche zu machen sein werden. Damit können die Unternehmen auch zuverlässig Dividenden ausschütten. Werden die Ausschüttungen für 2021 zugrundegelegt, sieht ein Teil der Aktien des Sektors jedenfalls bereits attraktiv aus. Für Vonovia und LEG Immobilien errechnen sich derzeit Dividendenrenditen von 5,4% und 4,7%.

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