Kapitalmarktausblick

Neue Chancen an den Private Markets

An den zuletzt etwas überhitzten Private Markets tun sich offenbar neue Chancen auf. Baillie Gifford zufolge sind Unternehmen mittlerweile bereit, niedrigere Bewertungen in Kauf zu nehmen.

Neue Chancen an den Private Markets

hip Edinburgh

– Der schottische Vermögensverwalter Baillie Gifford hat vor der Gefahr gewarnt, dass besorgte Anleger auf die Kursverluste der vergangenen Monate überreagieren. Der sehr langfristig orientierte Assetmanager will weiter auf disruptive Unternehmen setzen. „Überschätzen Sie die Wahrscheinlichkeit nicht, dass sich das, was in den vergangenen zwei Jahren passiert ist, in ähnlicher Form wiederholt“, sagte Stuart Dunbar, einer der 51 persönlich haftenden Partner der Gesellschaft, auf einer Presseveranstaltung in Edinburgh. „Es besteht ein wenig die Gefahr, überzureagieren.“

Einen Strategiewechsel, etwa in Richtung Market Timing, hält er für sinnlos. „Wir versuchen nicht, schlechte Firmen günstig zu bekommen.“ Anlagethemen wie die Disruption der Finanzbranche seien nach wie vor aktuell. Der Verschuldungsgrad der Unternehmen, in die Baillie Gifford investiere, belaufe sich auf lediglich ein Drittel des Marktdurchschnitts. Firmen, die dank der Politik des billigen Geldes in den vergangenen 12 bis 15 Jahren über die Runden gekommen seien, stünden nun vor großen Problemen. Das Thema Dekarbonisierung habe trotz der aktuellen Energiekrise Bestand. „Ich glaube jetzt mehr daran“, sagte Dunbar. Es werde sogar schneller vorangehen. Statt des auf Jahrzehnte angelegten Zukunftsthemas Umwelt stehe nun die Versorgungssicherheit im Vordergrund. Öl- und Gaskonzerne könnten beim Übergang zu Net Zero eine große Rolle spielen, sagte Dunbar. Ein Ausschluss solcher Unternehmen aus dem Anlageuniversum sei „völlig lächerlich“.

Die Fondsmanagerin Gemma Barkhuizen, die zum Long Term Global Growth Team des Assetmanagers gehört, stellte drei disruptive Unternehmen vor. Moderna, in die Baillie Gifford bereits vor der Corona-Pandemie investiert habe, ähnele eher einem Softwareunternehmen als einer traditionellen Biotechfirma. Der mRNA-Impfstoffhersteller habe 46 Projekte in der Entwicklung und könne von „schwunghaften und möglicherweise revolutionären Fortschritten im Gesundheitswesen“ profitieren.

Der Computerspielehersteller Roblox habe die Monetarisierung seines Angebots über den traditionellen Gaming-Markt hinaus geschafft, etwa durch den Verkauf von virtuellen Kleidungsstücken oder virtuelle Konzerte. Der Zahlungsabwickler Adyen profitiere vom Aufschwung des bargeldlosen Bezahlens und verfüge über ein beeindruckendes Kundenportfolio. Derzeit arbeitet Barkhuizen an einer neuen Strategie unter dem Titel „Klimaoptimismus“.

Baillie Gifford investiert auch in privat gehaltene Unternehmen. Nachdem er sich in den vergangenen sechs Monaten auf die bestehenden Portfoliounternehmen konzentriert habe, zeigten sich mittlerweile wieder Anlagechancen, konstatierte Robert Natzler, der das Thema bei der Fondsgesellschaft verantwortet. „Firmen sind bereit, niedrigere Bewertungen in Kauf zu nehmen“, sagte er. Während am Early-Stage-Markt die Party noch in vollem Gange sei, kehre bei Finanzierungsrunden für spätere Entwicklungsphasen etwas mehr Realismus ein.

Der Vermögensverwalter macht keinen Hehl daraus, dass Investments auch schiefgehen können, das in TAL Education etwa, einen chinesischen Nachhilfeanbieter. „Das war ein Fehler“, sagte Dunbar. „Wir hätten es kommen sehen können.“ Die chinesische Regierung habe schon Monate vorher entsprechende Signale gesendet. Doch die Kunden blieben der Gesellschaft treu. „Wir werden von den meisten unserer Kunden viel eher wegen Abweichung von unserem Anlagestil gefeuert als für eine Underperformance.“

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