Japanische Währung

Yen: Kommt die geldpolitische Wende?

Es ist durchaus möglich, dass die Bank of Japan (BoJ) in naher Zukunft eine geldpolitische Straffung einleitet, die den Yen deutlich unterstützt. Doch gerade wenn die BoJ jetzt ihre Geldpolitik strafft, spricht das dafür, dass der Yen eine Niedrigzins-Währung bleibt.

Yen: Kommt die geldpolitische Wende?

Von Ulrich Leuchtmann*)

Momentan werden die Yen-Wechselkurse ordentlich durchgeschüttelt. Das ist Folge der Unsicherheit über den zukünftigen Kurs der Bank of Japan (BoJ). Deutet sich in Japan eine geldpolitische Wende an? Anders als alle anderen G10-Zentralbanken hat die BoJ im vergangenen Jahr ihre Geldpolitik nicht gestrafft. Nun gibt es Signale dafür, dass sie sich doch bewegen könnte:

• Im Dezember hat die BoJ bekannt gegeben, dass sie die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen (JGBs) nicht mehr bei 0,25% deckeln will, sondern Renditen bis zu 0,50% zulassen will. Begründet wurde das mit eher markttechnischen Argumenten, doch gilt halt auch: Falls die BoJ den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik plant, wäre genau das wahrscheinlich der erste Schritt.

• Im April endet die Amtszeit von BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda. Noch steht kein Nachfolger fest, doch gibt es Gerüchte, dass auch geldpolitische Falken im Rennen sind.

• Seit etlichen Jahren besteht ein Konsens zwischen Regierung und Zentralbank, gemeinsam Maßnahmen zur dauerhaften Reinflatio­nierung zu ergreifen. Premierminister Fumio Kishida hat angekündigt, diesen Konsens mit Kurodas Nachfolger neu verhandeln zu wollen.

• Last but not least steht morgen, am 18. Januar, mit der regulären BoJ-Entscheidung auch eine Bewertung der geldpolitischen Strategie an. Nicht wenige Marktteilnehmer dürften darauf spekulieren, dass die Neueinschätzung eine kritischere Bewertung des bisherigen Kurses andeuten könnte.

Je wahrscheinlicher eine geldpolitische Wende wird, desto mehr wertet der Yen auf. Nach Jahrzehnten expansiver Geldpolitik dürften viele Devisenhändler sich kaum noch vorgestellt haben, dass es auch mal anders sein könnte. Revidiert der Markt diese Sicht, ist eine grundsätzliche Neubewertung der japanischen Währung angezeigt, weil auch auf lange Sicht ihr bisheriger Zinsnachteil als geringer erachtet werden müsste.

Ist die Nullinflation vorbei?

Ökonomen streiten darüber, ob die Jahrzehnte andauernde Nullinflation Japan geschadet hat, und darüber, ob und wie die BoJ für langfristig höhere Inflation sorgen sollte. Viele Kritiker haben der BoJ vorgeworfen, in den frühen 2000ern­ stets zu früh von expansiver Geldpolitik auf einen restriktiven Kurs umgeschwenkt und damit zarte Pflänzchen aufkeimender Inflation abgewürgt zu haben. Diesmal könnte es so enden, dass die BoJ gerade dann umschwenkt, wenn der globale Inflationsschock wieder abklingt.

Die Kritiker führen an, dass durch dieses BoJ-Handlungsmuster langfristige Inflationserwartungen in Japan gar nicht entstehen können, was wiederum Inflation (insbesondere: Lohninflation) verhindert.

Um diese Problem zu lösen, hat die BoJ seit 2016 ein Inflations-„Overshooting“ versprochen: erst dann die Geldpolitik zu straffen, wenn die Inflation über dem 2-%-Ziel liegt. Dadurch sollten Inflationserwartungen angehoben werden. Derzeit liegt die Gesamtinflation bei knapp 4%, die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) bei knapp 3%. Man könnte argumentieren, dass damit das versprochene Overshooting stattgefunden habe und nun der Moment gekommen sei, die Geldpolitik zu straffen. Doch so einfach ist es nicht:

• Fast überall sonst hat die globale Inflationswelle weitaus stärker gewirkt als in Japan.

• Marktbasierte langfristige In­flationserwartungen für Japan liegen unter 1%. Zumindest Fi­nanz­marktakteure sehen die jüngste Pe­riode nicht als Ende der Niedrig­inflation.

Lässt der globale Inflationsdruck jetzt wieder nach, scheint ein Rückfall in den Zustand der Nullinflation in Japan wahrscheinlicher zu sein als im Rest der Welt. Eine BoJ, die absolut entschlossen wäre, einen solchen Rückfall zu verhindern, würde wohl weiter abwarten, bevor sie die Geldpolitik strafft. Doch wie sicher kann man sich sein, dass die BoJ so entschlossen ist? Es gibt politische Argumente, daran zu zweifeln. Ich möchte ein ökonomisches Argument anführen – weil dieses meines Erachtens zu wenig Beachtung findet.

Mit rund 260% des BIP ist Japans Staatsverschuldung extrem hoch. Dennoch kommt es zu keiner fiskalischen Krise. Warum? Die niedrigen JGB-Renditen sorgen dafür, dass die Bedienung der Staatsschulden dem japanischen Fiskus leichtfällt. Und die BoJ vergrößert mit ihren JGB-Käufen die Nachfrage nach Staatsschuldtiteln und verankert damit die JGB-Renditen auf niedrigem Niveau. Nicht mehr bei 0,25%, aber auch 0,5% sind nicht viel.

Würde die BoJ dereinst vollständig und für lange Zeit auf eine restriktivere Geldpolitik umschwenken, bestünde die Gefahr, dass die Renditen so weit steigen würden, dass die Bedienung der Staatsschulden zum Problem werden könnte.

Man muss das Risiko gar nicht als besonders hoch einschätzen. Doch wären die Folgen so dramatisch, dass Regierung und BoJ sicherlich nicht den geringsten Zweifel an der fiskalischen Solidität aufkommen lassen wollen.

Würde die Inflation lange auf jetzigen Niveaus verharren, könnten die Inflationserwartungen zu deutlich steigen. Dann müsste die BoJ für ziemlich lange Zeit eine restriktive Geldpolitik fahren. Eine unvermeidliche Folge wären wohl deutlich höhere Renditen – und damit höherer Schuldendienst des Finanzministers.

Aus dieser Sicht scheint es sicherer zu sein, relativ früh die Geldpolitik zu straffen. Weil dann Inflationserwartungen noch nicht so deutlich gestiegen sind, sind weitaus weniger restriktive Schritte nötig. Und damit ist das fiskalische Risiko geringer. Lehrbuchtheorie lehrt uns, dass hohe Staatsverschuldung ein Inflationsrisiko ist. In Japan dürften wir eine bemerkenswerte Variante sehen. Die hohe Staatsverschuldung dürfte (zugegeben: neben anderen Gründen) dazu führen, dass die BoJ nicht das Risiko eingehen kann, dass Inflationserwartungen allzu sehr steigen.

Für den Yen-Ausblick heißt das: Es ist durchaus möglich, dass die BoJ – trotz vieler Argumente, die dagegensprechen – in naher Zukunft eine geldpolitische Straffung einleitet, die den Yen deutlich unterstützt. Doch gerade wenn die BoJ jetzt ihre Geldpolitik strafft, spricht das dafür, dass der Yen eine Niedrigzinswährung (und damit wohl auch ein sicherer Hafen, ähnlich wie Franken und Gold) bleibt. Weil dann wahrscheinlich wird, dass Japan auch bezüglich seiner Rückkehr zu Null- oder Niedrig­inflation ein Sonderfall bleiben dürfte.

*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.

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