Anleihemärkte

Zinsmarkt in der Warte­schleife

Der Bondmarkt ist derzeit in Sachen Geldpolitik in der Warteschleife. Am Markt wird zurzeit diskutiert, wie es in der Zinspolitik der großen Notenbanken wie EZB, Fed & Co weitergehen wird.

Zinsmarkt in der Warte­schleife

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Knapp oberhalb von 2% pendelt derzeit die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe. Aktuell lag sie zur Wochenmitte bei 2,37%. Aber in den ersten Handelstagen dieses Jahres testete sie auch schon die Marke von 2%. Zudem ist die Renditestrukturkurve der Bundesanleihen im Bereich von 10 bis 30 Jahren auch wieder abgeflacht. In diesem Laufzeitenbereich liegen die Renditen praktisch auf dem gleichen Niveau.

An den Märkten für Zinspapiere – und nicht nur dort – wird derzeit über die weiteren Zinsaussichten debattiert, aktueller denn je. Denn wird es nun nach den deutlicheren Zinsschritten von Europäischer Zentralbank (EZB), US-Notenbank Fed, Bank of England (BoE) & Co zu einem etwas gemächlicheren Tempo in der restriktiveren Geldpolitik kommen, oder werden die internationalen Währungshüter der bedeutenden Währungsräume Euro, Dollar, Pfund etc. ihren straffenden Pfad auch in den kommenden Monaten fortsetzen? Viel hängt in dieser Hinsicht von der weiteren Inflations- und Konjunkturentwicklung ab – wie üblich.

Viele Unwägbarkeiten

Mit Blick auf die EZB sagt etwa Konstantin Veit, Portfoliomanager und Leiter der European Rates- und Short-Term Desks beim Vermögensverwalter und Anleiheriesen Pimco, nach der jüngsten Zinssitzung der europäischen Währungshüter: „Der Markt preist einen Leitzins von 3,25% bis 3,5% ein, was angesichts der immer noch großen Unsicherheit über die Inflationsdynamik nicht unvernünftig erscheint.“ Damit sich die Inflation wieder vollständig auf das EZB-Ziel von 2% normalisiere, sei wahrscheinlich eine gewisse Abkühlung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes erforderlich. Die jüngste wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Euroraums sei daher nicht uneingeschränkt eine gute Nachricht für die EZB.

„Unsere Überzeugung hinsichtlich des Tempos und des Umfangs weiterer Zinserhöhungen bleibt angesichts der Unwägbarkeiten der Inflationsentwicklung gering, was heißt, dass solange die neuen makroökonomischen Projektionen der EZB nichts anderes erforderlich machen, eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte im März beschlossene Sache zu sein scheint“, so Veit. „Wir sehen das Risiko, dass die EZB länger an ihrer restriktiven Politik festhält, als es der Markt derzeit erwartet.“

Hugo Le Damany, Economist, und François Cabau, Senior Eurozone Economist bei Axa Investment Managers, sagen: „Der ausgewogenere Ton der EZB festigt unsere Annahme, dass die EZB den Leitzins insgesamt auf 3,25% anheben wird – mit einer letzten Anhebung um 25 BP im Mai.“ Ihrer Meinung nach bestehe aber immer noch ein asymmetrisches Risiko für eine mögliche letzte Anhebung um 25 BP im Juni, aufgrund der von ihnen prognostizierten Abschwächung der Kerninflation. „Wir erwarten, dass die EZB die fällig werdenden Wertpapiere ihres APP-Portfolios nach dem Grundsatz der Proportionalität reinvestieren und dabei den Kapitalschlüssel der Länder respektieren wird. Der Preisdruck ist nach wie vor stark und die Löhne steigen schneller, gestützt durch robuste Arbeitsmärkte“, so die beiden Experten. Alle Augen sollten auf die Entwicklung des Preisdrucks sowie auf die Entscheidung der Regierung zur Behebung der Energiekrise gerichtet sein. Die EZB-Erklärung habe eine Rally bei Euro-Anlagen ausgelöst, die Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen damit auf 2,06% verringert.

Es gibt auch skeptische Stimmen im Markt mit Blick auf die jüngste Sitzung der EZB: „Es ist ganz klar, dass der Markt auf eine hawkishe EZB eingestellt war. Trotz der ausdrücklich aggressiven Äußerungen der Zentralbank, ihrer Rückkehr zur Forward Guidance, die sie angeblich aufgegeben hatte, und der Absicht, die Zinsen im März um weitere 50 Basispunkte anzuheben, haben wir eine starke Rally bei den Anleihen erlebt“, sagt Jamie Niven, Senior Fund Manager beim Assetmanager Candriam. Es bestehe Sorge, dass die verzögerte Wirkung der Geldpolitik zu einem schwächeren Wachstum in der zweiten Jahreshälfte führe.

Bewegung zu neutral

Manch einer am Markt wird sehr deutlich: „Die EZB deutete klar eine Abschwächung oder einen möglichen Stopp der Zinserhöhungen nach März an. Obwohl Lagarde anmerkte, dass die EZB mit ihrer restriktiveren Geldpolitik auch nach März noch nicht fertig sein könnte, wird sich der Markt wohl auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen einstellen. Die Zentralbanken bewegen sich von ‚hawkish‘ zu ‚neutral‘, aber die Märkte handeln so, als ob sie sich zu ‚dovish‘ bewegen, ohne bei ‚neutral‘ zu stoppen“, so Robert Dishner, Senior Portfolio Manager Fixed Income beim US-Vermögensverwalter Neuberger Berman. „Auch wenn Lagarde versuchte, ‚hawkish‘ zu klingen, als sie erklärte, nicht behaupten zu wollen, dass die Disinflation bereits im Gange wäre: Wenn die EZB eine Verlangsamung in Betracht zieht, die möglicherweise bis zum Sommer, wenn nicht schon früher abgeschlossen sein könnte – dann ist die Reaktion des Marktes wahrscheinlich die richtige. Insbesondere da Lagarde bewusst betonte, dass selbst die für März angekündigten 50 BP nicht garantiert sind.“

Und mit Blick auf die Fed analysiert Mark Dowding, Chief Investment Officer bei Bluebay, RBC Bluebay Asset Management, der in US-Treasuries­ eine Short-Position beibehält: „Im Großen und Ganzen hat sich die Botschaft von Fed-Chef Jerome Powell nicht wirklich geändert. Die Währungshüter signalisieren nach wie vor, dass im März und Mai mit zwei weiteren Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte zu rechnen ist, so dass der effektive Leitzins knapp über 5% liegen wird. Danach scheint die Fed derzeit entschlossen zu sein, die Zinssätze für einen längeren Zeitraum auf diesem Niveau zu halten.“ Powell schien jedoch die Tür für einen weniger restriktiven Kurs zu öffnen, falls die Inflation niedriger ausfallen sollte als von der Notenbank erwartet.

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