Energiekrise

Attacke auf die Gewinn­­abschöpfung

Die Abschöpfung von 30 Mrd. Euro an Zufallsgewinnen der Stromkonzerne wird zur Mammutaufgabe. Die Energiebranchenverbände BDEW und VKU monieren „Prozessineffizienzen, Ungereimtheiten und Widersprüche“. Die Bundesregierung verschiebt den geplanten Beschluss zur Strompreisbremse.

Attacke auf die Gewinn­­abschöpfung

cru Frankfurt

In der Energiebranche treffen die Pläne der Bundesregierung für die Abschöpfung von jährlich rund 30 Mrd. Euro an Zufallsgewinnen von Stromerzeugern wie EnBW, RWE oder Steag zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse auf scharfe Kritik. „Die Vorschläge beinhalten eine Reihe von Prozessineffizienzen, Ungereimtheiten, Schwachstellen und Widersprüchen, die adressiert werden müssen, bevor sie durch eine gesetzliche Regelung zementiert werden“, heißt es in einem gemeinsamen Vermerk der Verbände BDEW und VKU, der der Börsen-Zeitung vorliegt. „Wenn es Ziel ist, Übergewinne schnell abzuschöpfen und an die berechtigten Empfänger bringen zu können, sollten entsprechende Verbesserungen durchgeführt werden.“

Die Bundesregierung verschiebt den für Freitag geplanten Beschluss zur zweiten Stufe der Gas- und Strompreisbremse. Wegen der Komplexität des Vorhabens und nötiger Abstimmungen mit der EU werde eine Kabinettsbefassung diese Woche voraussichtlich nicht möglich sein, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Ziel bleibe aber, dass das gesamte Vorhaben Anfang Dezember dann abschließend vom Bundesrat gebilligt werde.

Laut BDEW und VKU sollte die Ab­schöpfung bei Erneuerbaren-Energien-Anlagen auf solche größer 1 Megawatt beschränkt werden. Nach den Daten, die den beiden Verbänden vorliegen, würde sich damit die Anzahl auf rund 35000 Anlagen reduzieren. Bei einer Grenze von 100 Kilowatt wären es bereits 135000 Anlagen – rund viermal so viele.

BDEW und VKU begrüßen die Idee einer zentralen, digitalen Schnittstelle, die „nach unserem Verständnis“ durch einen Dienstleister im Auftrag staatlicher Stellen erstellt werden soll. Hierdurch würden Anfragen gebündelt, die Sicherstellung der Datenkohärenz vereinfacht und die Zahl von Schnittstellen im Sinne prozessualer Effizienz minimiert.

Die derzeitigen Umsetzungsvorschläge sehen eine sogenannte Referenzrechnung – auf Basis der eingespeisten Strommengen und Spotmarktpreise zum jeweiligen Zeitpunkt – vor, die von jedem Verteilnetzbetreiber wie etwa Eon an jeden Anlagenbetreiber wie etwa RWE zu versenden ist. „In der Abwicklung handelt es sich dabei um einen erheblichen Mehraufwand für Verteilnetzbetreiber.“ So gehe beispielsweise das Bundeswirtschaftsministerium derzeit scheinbar nach wie vor davon aus, dass den Verteilnetzbetreibern „anlagenscharfe Einspeisezeitreihen“ in allen Fällen vorliegen, auf deren Basis die Referenzrechnung „einfach“ durchgeführt werden könnte. Die Einspeisezeitreihen bezögen sich aber nur dann auf die Einzelanlagen – etwa ein Windrad im Windpark –, wenn diese auch mit einer entsprechenden Markt- und Messlokation hinterlegt seien.

Aus Sicht von BDEW und VKU zeigt sich bereits jetzt in den Diskussionen zu den Grundlagen der anstehenden Gesetzentwürfe, dass die Komplexität „ein Niveau erreicht hat, das selbst die deutschlandweit führenden Fachexperten aus Unternehmen, Verbänden, Behörden und Ministerien an ihre Grenzen treibt“. Es sei „sehr wahrscheinlich, dass diese Komplexität in der Abwicklung zu vermehrten Unsicherheiten, Prozessfehlern und in der Konsequenz Prozessstörungen führen wird“.

„Abschließend möchten wir noch mal betonen, dass unsere Punkte nicht als generelle Kritik an der Abschöpfung an sich zu verstehen sind, die wir im Rahmen dieser außergewöhnlichen Situation und der Notwendigkeit einer Entlastung von Bevölkerung und Industrie unterstützen.“

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