Konjunktur

Britische Wirtschaft steuert in die Rezession

Die britische Wirtschaft ist im dritten Quartal zwar weniger stark geschrumpft als von Bankvolkswirten erwartet. Allerdings verdichten sich die Anzeichen dafür, dass sie bereits in einer Rezession steckt. Schatzkanzler Hunt erwartet einen „harten Weg“.

Britische Wirtschaft steuert in die Rezession

hip London

 Die britische Wirtschaft ist im dritten Quartal weniger stark geschrumpft als von Bankvolkswirten im Schnitt erwartet. Und doch ist das Vereinigte Königreich bislang das einzige G7-Land, das für den Dreimonatszeitraum einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung gemeldet hat. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seiner Erstschätzung zufolge um 0,2%. Ökonomen hatten einen Rückgang um 0,5% erwartet. Die Bank of England war von einem Minus von 0,5% ausgegangen und hatte den Briten die längste Rezession seit Beginn der Erhebungen in Aussicht gestellt.

„Die Ausgabenseite sieht nicht gut aus“, kommentierten die HSBC-Volkswirte Elizabeth Martins und Simon Wells die Daten (siehe Grafik). „Die einheimische Nachfrage wurde komplett durch Ausgaben und Investitionen der öffentlichen Hand getrieben.“ Die Unternehmensinvestitionen gingen angesichts der anhaltenden politischen Ungewissheit um 0,5% zurück und bewegten sich damit unter dem vor der Pandemie erreichten Niveau. Der private Konsum lag um 0,5% niedriger. Die Ausgaben der öffentlichen Hand stiegen dagegen um 1,3%, obwohl die Pandemie-Aktivitäten im Gesundheitswesen trotz Booster-Impfkampagne nachließen. Der Staat investierte zudem 7,6% mehr.

Das britische BIP lag im dritten Quartal um 0,4% unter dem vor der Pandemie erreichten Niveau. Zum Vergleich: In den Vereinigten Staaten lag es dagegen um 4,2% darüber, in der Eurozone um 2,0%.

Im Monat September schrumpfte das BIP um 0,6%. Der Extra-Feiertag für das Begräbnis von Queen Elizabeth II. spielte dabei eine wesentliche Rolle. Weil deshalb viele Geschäfte geschlossen hatten, kam es nicht zur ansonsten üblichen Verlagerung auf Freizeitaktivitäten und Tourismus. Aus Sicht der ONS-Statistiker geht die Hälfte des Rückgangs in diesem Monat auf den zusätzlichen Bank Holiday zurück. Der für August gemeldete Rückgang des BIP von 0,3% wurde auf 0,1% revidiert.

Sinkende Produktion

„Die heutigen Daten verfestigen das Bild, dass sich die Wirtschaft auf eine Rezession hinbewegt, so sie sich nicht schon in einer befindet“, sagte David Bharier, Head of Research beim Handelskammerdachverband BCC. Die technische Definition einer Rezession macht dafür zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum erforderlich. Beunruhigend sei, dass alle 13 vom ONS beobachteten Segmente des verarbeitenden Gewerbes einen Rückgang zeigten, sagte Bharier. Insgesamt ging die Produktion im dritten Quartal um 1,5% zurück, im verarbeitenden Gewerbe um 2,3%. Treiber waren dabei energieintensive Branchen. „Unser Research zeigt ganz klar, dass sich das Geschäftsklima in den vergangenen Monaten wesentlich eingetrübt hat.“ Die Inflation sei dabei der ausschlaggebende Faktor. Die Margen vieler Mittelständler würden dadurch „ausradiert“.

„Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass ein harter Weg vor uns liegt, einer, der extrem schwierige Entscheidungen nötig macht, um Vertrauen und wirtschaftliche Stabilität wiederherzustellen“, sagte Schatzkanzler Jeremy Hunt. „Um langfristig nachhaltiges Wachstum sicherzustellen, müssen wir die Inflation in den Griff bekommen, für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen und die Schulden zum Sinken bringen. Es gibt keinen anderen Weg.“

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