BIP

China quält sich zu Mini-Wachstum

Chinas Wirtschaft ist für seine Verhältnisse 2022 um magere 3% gewachsen. Mit dem Ausstieg aus der Zero-Covid-Politik verbindet sich die Aussicht auf eine deutliche Konjunkturbelebung in 2023 – sofern das grassierende Virus hier nicht entgegenwirkt.

China quält sich zu Mini-Wachstum

nh Schanghai

Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist nach den massiven Behinderungen durch die restriktive Coronapolitik Pekings im Jahr 2022 noch um 3% gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Das zeigen die neuen Daten des nationalen Statistikamts. Damit weist die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft eine im historischen Vergleich extrem schwache Wachstumsperformance auf. Abgesehen vom Ausnahmejahr 2020, als die chinesische Wirtschaft nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der Großstadt Wuhan zunächst brutal abstürzte, dann aber immer noch auf 2,2% Wachstum kam, bedeuten 3% Wachstum für 2022 den niedrigsten BIP-Anstieg in China seit Mitte der siebziger Jahre.

Die am Dienstag vorgelegten Konjunkturdaten bringen einige Überraschungen mit sich. Nach offiziellen Angaben ist das chinesische BIP im vierten Quartal um 2,9% gegenüber der Vorjahresperiode gewachsen, was eine extrem hohe Abweichung zu den Prognosen der Analysten darstellt. Deren Konsensschätzung für das zunächst von Mobilitätsrestriktionen und dann von einer abrupten Lockerung des Corona-Kontrollregimes geprägte Quartal war auf einen BIP-Anstieg von lediglich 1,6% hinausgelaufen. Dies hätte bedeutet, dass Chinas BIP-Wachstum für das Gesamtjahr nur bei etwa 2,7% gelegen hätte und nicht einmal auf die Hälfte des offiziellen Wachstumsziels von 5,5% gekommen wäre.

So oder so hat sich die chinesische Regierung eine massive Blöße gegeben, als sie trotz eindeutig absehbarer schwerer wirtschaftlicher Behinderungen durch die von der chinesischen Parteiführung angeordnete „Null-Covid-Politik“ auf dem Volkskongress im März 2022 noch ein Wachstumsziel von 5,5% ausrief. Damit sollte die optimistische Botschaft verbreitet werden, dass China trotz der Corona-Restriktionen an das Wachstumstempo vor der Pandemie, als die Wirtschaft um 6 % und mehr zu wachsen pflegte, wieder anknüpfen könne.

Selbst als der mehrmonatige harte Lockdown Schanghais und einer Reihe anderer Großstädte das BIP-Wachstum im zweiten Quartal auf gerade einmal 0,4% zusammenschrumpeln ließ, hielt Peking am Wachstumsziel fest. Offiziell galt die Sichtweise, dass sich die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder aufbäumen würde, obwohl dies die Sichtweise sämtlicher (nicht in Staatsdiensten stehender) China-Ökonomen völlig konterkarierte.

Zwar konnte die chinesische Industrieproduktion aufgrund drakonischer Internierungsmaßnahmen von Fabrikarbeitern und Angestellten auch über die Lockdown-Phasen hinweg einigermaßen aufrechterhalten werden, mit einem Wachstum des Industrieoutputs von 3,6% im zurückliegenden Jahr schnitt man dennoch wesentlich schlechter ab als 2021 (+9,6%) und vor der Pandemie. Demgegenüber ist der Binnenkonsum wegen der anhaltenden Corona-Restriktionen völlig verkümmert. So sind die Einzelhandelsumsätze als Schlüsselindikator für die Entwicklung der Konsumausgaben im vergangenen Jahr um 0,2% geschrumpft, während sie 2021 noch um 12,5% und vor der Pandemie um etwa 8% geklettert waren.

Chinas Außenhandel hatte über weite Strecken des vergangenen Jahres wegen der immer noch strammen Zuwachsraten bei den Exporten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft geleistet. Für das Gesamtjahr 2022 wurde hier zwar ein immer noch ansehnlicher Anstieg von 10,5% gemessen. Tatsächlich aber hat die chinesische Exportwirtschaft seit Herbst an Schwung eingebüßt. Dies liegt vor allem daran, dass die Nachfrage in den USA und den ebenfalls unter hoher Inflation ächzenden europäischen Ländern zuletzt rückläufig war und sich auch während der ersten Jahreshälfte 2023 nicht signifikant erholen dürfte.

Im neuen Jahr ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass der Außenhandel keinen signifikanten Beitrag zum chinesischen BIP-Wachstum leisten und möglicherweise sogar einen Abzugsfaktor darstellen wird. Demgegenüber ist nach dem abrupten Wechsel der chinesischen Coronapolitik und der spontanen Aufhebung aller Restriktionen mit einer Belebung der Industrieproduktion und des Konsum zu rechnen. Allerdings steht die mit der Lockerung des Corona-Kontrollregimes verbundene massive Ansteckungs- und auch Sterbewelle der letzten Wochen einer raschen Erholung des Konsumvertrauens entgegen.

Zwar dürfte nach Einschätzung von China-Ökonomen das BIP-Wachstum für 2023 deutlich über 4% liegen, allerdings gilt es als keineswegs gesichert, dass China wieder zu präpandemischen Wachstumsraten in einer Größenordnung von 6% zurückfinden kann.

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