Hyposensibilisierung

„Es funktioniert wie ein trojanisches Pferd“

Allergy Therapeutics hat sich vorgenommen, einen einfacheren Weg zur Hyposensibilisierung von Erdnussallergikern zu entwickeln. Das Biotech-Unternehmen versucht dabei, das Immunsystem zu überlisten.

„Es funktioniert wie ein trojanisches Pferd“

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Etwa ein Viertel der Bevölkerung leidet an allergischem Schnupfen. Aber nur 2 bis 3 % der Bevölkerung – etwa jeder zehnte Betroffene – leidet schwer darunter. Die anderen kommen mit Antihistaminika und anderen Produkten aus, mit deren Hilfe sich die Symptome lindern lassen. Die schweren Fälle haben aufgrund ihrer Erkrankung eine schlechte Lebensqualität. Gerade junge Menschen leiden darunter, wenn sie draußen keinen Sport treiben können. Manche haben Konzentrations- oder Schlafprobleme. Ein relevanter Anteil wird Asthma entwickeln. Allergy Therapeutics konzentriert sich vor allem auf solche Patienten.

Erdnussallergien sind noch schwerwiegender als allergischer Schnupfen. Jedes Jahr sterben allein in den USA etwa 150 Menschen mit Lebensmittelallergien, weil sie unbeabsichtigt mit Erdnüssen oder anderen Lebensmittelauslösern in Kontakt gekommen sind. Außerdem werden jedes Jahr 200 000 bis 300 000 Fälle in Notaufnahmen von Krankenhäusern behandelt, weil die Betroffenen unbeabsichtigt mit einem Lebensmittelallergen in Kontakt gekommen sind. Familien, deren Mitglieder Erdnussallergien haben, leben in ständiger Angst. Die Zahl der Fälle von Lebensmittelallergien wächst exponentiell. Der wichtigste Markt sind die Vereinigten Staaten, dicht gefolgt von Großbritannien und Deutschland.

Allergy Therapeutics will das Problem an der Wurzel anpacken, nämlich an der anormalen Reaktion des Immunsystems auf Allergene. Das Immunsystem wird trainiert, so dass es richtig reagiert. Dieser Prozess wird als Hyposensibilisierung bezeichnet. „Wir verwenden keine Allergene, sondern Allergoide“, sagt Alan Bullimore, der Leiter der Abteilung Unternehmensinnovation.

Dazu wird ein Allergen mit einer Chemikalie so behandelt, dass sich die Struktur des Proteins verändert. Das Immunsystem erkennt es dann nicht mehr als Allergen. Somit wird durch IgE-Antikörper keine allergische Reaktion ausgelöst. Aber IgG-Antikörper erkennen die Zusammensetzung des Proteins und nehmen es in das Gedächtnis des Immunsystems auf – durch T-Zell-Differenzierung und die Bildung von Gedächtniszellen. „Da wir die IgE-Antikörper nicht aktivieren, können wir eine hohe Dosis des Allergoids verwenden“, sagt Bullimore. „Anstelle von 20 Injektionen reichen sechs.“ Allergy Therapeutics verwendet MPL (Monophosphoryl Lipid A) als Wirkstoffverstärker (Adjuvans). „Wir haben dafür einen exklusiven Lizenzvertrag mit GlaxoSmithKline, weil wir bis vor einigen Jahren zu dieser Gruppe gehörten“, sagt Bullimore. MPL ist Teil der Zellwand von Salmonellen. Wenn das Immunsystem darauf stößt, denkt es, dass es sich um Salmonellen handelt. Das ist natürlich nicht der Fall, aber das Immunsystem wird so dazu gebracht, eine stärkere Reaktion zu zeigen.

„Bei Nahrungsmittelallergien wie Erdnüssen können wir nicht dieselbe Plattform verwenden wie die für Gräser und Bäume“, sagt Bullimore. „Erdnüsse sind ein unglaublich starkes Allergen, das heftige Immunreaktionen hervorruft.“ Deshalb habe man eine Plattform mit virusähnlichen Partikeln entwickelt. Das Immunsystem sei sehr schlau. Wenn es ein Virus erkenne, schütte es kein Histamin aus. Der Grund dafür ist, dass eine allergische Reaktion dem Organismus nicht helfen würde, das Virus zu bekämpfen. Stattdessen werde das Virus in die Lymphknoten transportiert, wo es von weißen Blutkörperchen abgebaut werde. Die Bestandteile würden analysiert und eine Antwort erzeugt durch Antikörper. Und sie würden dem Gedächtnis hinzugefügt werden.

„Das ist genau das, was wir tun wollen“, sagt Bullimore. Allergy Therapeutics habe Erdnussallergene auf die Oberfläche eines virusähnlichen Partikels aufgebracht. Wenn dieser Partikel in den Körper eines Patienten injiziert wird, sieht das Immunsystem keine Erdnüsse, sondern ein Virus und reagiert entsprechend. „Es funktioniert wie ein trojanisches Pferd“, sagt Bullimore.

Wenn der Partikel im Lymphknoten abgebaut wird, ist der Körper dem Erdnussallergen ausgesetzt, aber dies geschieht in einer sicheren Umgebung. Auch in diesem Fall trickse man das Immunsystem aus. Für das Erdnussallergen könne man noch nicht sagen, wie hoch die Dosis letztendlich sein wird. „Wir hoffen, dass etwa drei Injektionen ausreichen werden“, sagt Bullimore. „Dann würden wir im Laufe von drei, fünf und bis zu sieben Jahren Folgestudien durchführen, um herauszufinden, ob eine Auffrischungsinjektion erforderlich ist. Unser Ziel ist es, dass drei Injektionen über einen langen Zeitraum vor allergischen Reaktionen auf Erdnüsse schützen.“

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