Gleichstellung

Frauenquote in Vorständen steigt langsam

Die Frauenquote in den Spitzengremien deutscher Top-Konzerne hat einen Rekordwert erreicht − mal wieder. Laut einer EY-Analyse waren von insgesamt 705 Vorstandsmitgliedern zuletzt 109 Personen weiblich. Es bleibt also viel zu tun.

Frauenquote in Vorständen steigt langsam

kro Frankfurt

Die gesetzlichen Vorgaben zur Frauenquote in den Führungsetagen börsennotierter deutscher Unternehmen zeigen Wirkung. Zu Beginn des Jahres 2023 belief sich der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in den Dax-, MDax- und SDax-Unternehmen auf 15,5 %, wie eine Auswertung der Unternehmensberatung EY ergeben hat. Das sind 2,3 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und entspricht im Vergleich zu 2019 sogar einer Verdoppelung.

Besonders häufig finden sich dabei Frauen in den Vorständen von Konsumgüter-, Telekommunikations- und Immobilienunternehmen. Medienkonzerne, Energieversorger und IT-Firmen fallen dagegen noch mit einem starken Männerüberhang in den Führungsetagen auf.

Aus Sicht von Markus Heinen, Leiter des Bereichs People Advisory Services bei EY, sind in dem Bemühen der Konzerne um mehr Diversität in ihren Spitzengremien noch nicht alle Register gezogen. Zwar „tut sich etwas in den Vorständen“, wie er mit Blick auf den steigenden Anteil von Top-Managerinnen bei den 160 Vertretern der ersten, zweiten und dritten Börsenliga sagt. Doch die Entwicklung sei weiter sehr langsam. „Es bleibt bei allem Positiven der Eindruck, dass der Fortschritt schneller gehen könnte und müsste.“

Viele frauenfreie Vorstände

Tatsächlich sind die Zahlen vielfach noch ernüchternd und zeigen, dass die Unternehmen weit davon entfernt sind, die Gesellschaft in ihrer geschlechtlichen Zusammensetzung wirklichkeitsgetreu zu repräsentieren. So beläuft sich das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in den Vorstandsetagen indexübergreifend derzeit noch auf 1:7. Bei 48 % aller Konzerne findet sich überhaupt keine Frau im Top-Management. In absoluten Zahlen trifft das auf 77 Unternehmen zu. Am häufigsten sind die Vorstände in MDax-Firmen rein männlich be­setzt.

Dax-Konzerne scheinen dagegen beim Thema Diversität eine „Vorreiterrolle“ einzunehmen, wie es in der EY-Analyse heißt. Fast neun von zehn Unternehmen haben demnach mittlerweile mindestens eine Frau im Vorstand. Bei der Neubesetzung der Top-Positionen waren im vergangenen Jahr zudem 50 % der berufenen Mitglieder weiblich. Der Gesamtanteil von Frauen in Dax-Vorständen lag zuletzt bei gut einem Fünftel.

Nach einer Einschätzung der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung vom Herbst ist das im internationalen Vergleich immer noch „beschämend niedrig“. So lag der Frauenanteil in den 40 größten börsennotierten US-Unternehmen zu­letzt bei 31 %. In Großbritannien waren es knapp 28  %.

Bei den mittleren und kleineren Unternehmen sieht das Bild in Deutschland sogar noch schlechter aus. So lag der Frauenanteil in SDax-Vorständen zuletzt bei etwas über 12 %, im MDax waren es genau 12 %.

Weibliche CEOs noch selten

Besonders schwer tun sich Konzerne hierzulande damit, Frauen das Amt mit der größten Entscheidungsbefugnis − den CEO-Posten − zu überlassen. So gibt es im Dax gerade mal zwei Unternehmen, bei denen Frauen derzeit auf dem Chefsessel sitzen: Mit Merck (Belén Garijo) und Fresenius Medical Care (Helen Giza) kommen beide aus dem Pharmabereich. Demgegenüber finden sich im SDax aktuell sechs Konzerne mit einer weiblichen Vorstandschefin (DIC Asset, GFT Technologies, New Work, Pfeiffer Vacuum, Suse und Deutsche Wohnen). Im MDax ist das Bild diesbezüglich erneut trübe. Hier sticht nur Thyssenkrupp als einziger Vertreter heraus. Insgesamt liegt der Anteil weiblicher CEOs indexübergreifend derzeit bei knapp 6 %.

Ob es Frauen in Führungspositionen schaffen und in die Konzernvorstände berufen werden, sei sehr oft noch eine Kulturfrage, meint Heinen. Von Firma zu Firma unterscheide sich, wie schwer der Weg nach ganz oben sei. Komplett freie Hand haben die Firmen bei der Besetzung ihrer Spitzengremien aber nicht: Seit Mitte August 2021 ist in Deutschland das zweite Führungspositionengesetz in Kraft, das börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen vorschreibt, mindestens eine Frau (und einen Mann) im Vorstand zu haben, wenn dieser aus mehr als drei Mitgliedern besteht.

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