Wall Street

Herausfordernder Shareholder-Aktivismus

US-Unternehmen müssen sich wieder verstärkt mit aktivistischen Investoren auseinandersetzen. Diese verfolgen dabei bei denselben Firmen konkurrierende Ziele – dies birgt Komplikationspotenzial.

Herausfordernder Shareholder-Aktivismus

Das Wiederaufflammen des Shareholder-Aktivismus in den USA bringt im laufenden Jahr wachsende Herausforderungen für Unternehmen mit sich. Jüngstes Beispiel ist die Kaffeehauskette Starbucks, die sich gegen die zunehmenden Organisationsbemühungen ihrer Filialmitarbeiter wehrt – und dabei Gegenwind von mächtigen Aktionären erfährt. Bisher sind in weniger als 300 der 9 300 US-Zweigstellen des Unternehmens Gewerkschaften zugelassen. Bei der Hauptversammlung des Unternehmens am vergangenen Donnerstag stand auch ein Antrag einer Investorengruppe um das Büro des Rechnungsprüfers der Stadt New York, dem die kommunalen Pensionsfonds unterstehen, zur Abstimmung.

Sie fordern, dass der Starbucks-Verwaltungsrat einen externen Prüfer mit einer Untersuchung des Unternehmens und seines Vorgehens in Bezug auf die Vereinigungsfreiheit beauftragen solle. Mehrere weitere Adressen, darunter der Investorenberater Institutional Shareholder Services oder der norwegische Staatsfonds, signalisierten bereits im Vorfeld ihre Unterstützung für den Vorschlag. Das Ergebnis der Abstimmung soll vier Werktage nach der Hauptversammlung durch eine Einreichung bei der US-Börsenaufsicht SEC veröffentlicht werden – und könnte ein weiteres wichtiges Signal an die Marktteilnehmer senden.

Denn der Ausgang könnte Aktivisten ermutigen, ihre Bemühungen auch bei anderen Unternehmen auszuweiten. Viele Investmentmanager mit klarer Agenda haben die in den vergangenen Monaten stark gesunkenen Kursniveaus an der Wall Street bereits zum Einstieg genutzt und dringen nun auf Veränderungen bei Unternehmen, die sie als schwache Performer einstufen. Bei der Eisenbahngesellschaft Union Pacific drang der Hedgefonds Soroban zuletzt erfolgreich auf einen CEO-Wechsel, Vorstandschef Lance Fritz muss seinen Posten noch im laufenden Jahr räumen. Beim Biotech-Unternehmen Illumina macht indes Corporate-Raider-Legende Carl Icahn Druck und dringt auf eine Veräußerung des im August 2021 übernommenen Krebstest-Herstellers Grail. Der Cloud-Computing-Anbieter Salesforce und der Entertainment-Riese Disney haben langgezogene Kämpfe um Aktionärsstimmen in Bezug auf kritische Entscheidungen zuletzt vorerst abwenden können – mitunter durch indirekte Zugeständnisse an Aktivisten.

Vor allem große Unternehmen dürften angesichts dieser Erfolge und Teilerfolge weitere Aktivisten anziehen. Schließlich bietet der Markt zwar niedrige Einstiegskurse, angesichts des allgemein schwierigen Konjunktur- und Liquiditätsumfelds aber auch nur begrenzte Gelegenheiten. Gemäß Daten der Beratungsgesellschaft Lazard ist es im vergangenen Jahr 17-mal zu sogenanntem „Swarming“ gekommen – also einer Situation, in der ein Unternehmen mehr als einen Aktivisten anzog. Im Jahr davor waren es neun Fälle, 2020 nur sieben. Analysten gehen davon aus, dass der Trend in den kommenden Monaten weiter nach oben zeigen wird – dann könnte es für das Management der betroffenen Konzerne erst richtig kompliziert werden. Denn es besteht die Gefahr, dass eine wachsende Zahl an Unternehmen sich mit konkurrierenden Zielen mächtiger Einzelinvestoren bzw. Aktionärsstellvertreter konfrontiert sieht. Denn gerade was Zeitvorgaben für bestimmte Performance-Zielmarken oder die Höhe angepeilter Erträge betrifft, unterscheiden sich die Vorstellungen der Aktivisten mitunter stark.

Insbesondere das Trendthema Nachhaltigkeit birgt dabei Zündstoff, ist die Debatte um Umweltschutz, soziales Management und gute Unternehmensführung (ESG) doch gerade in den USA stark ideologisch aufgeladen. Laut der Non-Profit-Organisation Sustainable haben Aktionäre für Hauptversammlungen im laufenden Jahr mehr als 542 Anträge mit ESG-Bezug gestellt. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang, im langfristigen Vergleich fällt der Wert aber deutlich erhöht aus. Zugleich ist allerdings auch die Zahl der als Anti-ESG eingestuften Anträge um 27 auf 48 gesprungen. Die meisten davon drehen sich weniger um den Umweltschutz, sondern vielmehr um soziale Faktoren. Insbesondere vermeintliche Risiken von Diversitäts- und Inklusionsprogrammen und -Strategien der Unternehmen stehen dabei im Fokus. Wie die Aktionäre zu solchen und ähnlichen Themen abstimmen, kann sich durchaus stark auf Investitionsentscheide der Unternehmen auswirken – zum Beispiel zu Bau- und Entwicklungsprojekten in US-Bundesstaaten mit progressiverer oder konservativer Gesetzgebung. Damit lohnt es sich auch für die Investoren an den breiten Finanzmärkten, das Verhalten der Aktivisten im Vorfeld der Hauptversammlungen genau zu beobachten. (Börsen-Zeitung, 8.3.2023)

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