Britischer Schatzkanzler

Jeremy Hunt verliert Spielraum

Schatzkanzler Jeremy Hunt wird seine Parteibasis wohl doch nicht durch Steuergeschenke gnädig stimmen können. Die unabhängigen Haushaltshüter des Landes wollen offenbar ihre Wachstumsprognose senken.

Jeremy Hunt verliert Spielraum

Von Andreas Hippin, London

Der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt (56) hat ein Problem. Abgeordnete der Regierungspartei dringen auf Steuersenkungen, wenn er im März seinen Haushaltsentwurf vorlegt. Doch dafür gibt es offenbar keinen Spielraum. Wie die „Times“ berichtet, haben die unabhängigen Haushaltshüter vom Office for Budget Responsibility (OBR) in einem vertraulichen Schreiben an das Schatzamt zugegeben, das Wirtschaftswachstum zu hoch angesetzt zu haben. Das ist ein bisschen peinlich, wurden die Prognosen der Ökonomen des OBR doch in der Debatte, die auf den Wachstumshaushalt seines Vorgängers Kwasi Kwarteng folgte, zum Goldstandard erklärt.

Im November hatten sie für das laufende Kalenderjahr eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um 1,4 % vorhergesagt. Ab dem kommenden Jahr sollte die Wirtschaft dann wieder Fahrt aufnehmen und bis zum Ende des Prognosezeitraums im Schnitt um 2,6 % wachsen. Doch der „Times“ zufolge will das OBR seine Prognose um 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte reduzieren. Während die Rezession im laufenden Jahr aus ihrer Sicht nun „kürzer und flacher“ als erwartet ausfallen werde, seien die weiteren Aussichten düsterer. „Es scheint da draußen die Ansicht zu geben, dass Hunt plötzlich eine Menge Geld für Steuersenkungen hat“, zitiert das Blatt eine Quelle in der Regierung. „Aber das entspricht nicht unserer internen Sicht. Die Zahlen des OBR suggerieren, dass die Aussichten für das mittelfristige Wirtschaftswachstum schlechter sind als im November.“ Die öffentliche Neuverschuldung hatte im Dezember weit über dem vom OBR geschätzten Wert gelegen.

Als der damalige Schatzkanzler George Osborne das OBR kurz nach der Finanzkrise ins Leben rief, ging es dem glühenden Verehrer von Margaret Thatcher darum, das ausufernde Defizit und die steigende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Zudem wollte er es einer künftigen Labour-Regierung erschweren, die Erfüllung ihrer Wahlversprechen durch neue Schulden zu finanzieren. Es war die Zeit der „Schäuble­isierung“ der Fiskalpolitik, der Vergötterung der schwäbischen Hausfrau und der Glorifizierung der schwarzen Null. Das OBR genoss weltweit großes Ansehen. Für die Tories erwies sich die Berufung der Haushaltswächter als Schuss ins eigene Knie. Am Ende versagten sie dem konservativen Premier Boris Johnson die Mittel, um die von ihm versprochenen Krankenschwestern und Polizisten einzustellen.

Hunt galt bei seiner Berufung durch Premierminister Rishi Sunaks Vorgängerin Liz Truss als „safe pair of hands“, weil man in der Partei davon ausging, dass er sich nicht wie Kwarteng über seine Beamten hinwegsetzen würde. Fiskal- und Geldpolitik gehörten zuvor nicht zu den Themen, mit denen sich der frühere Außen- und Gesundheitsminister befasste. Bald wird sich zeigen, ob es unter Karrieregesichtspunkten eine gute Idee von ihm war, sich auf den Apparat zu verlassen.

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