Großbritannien

Liz Truss zieht die Reißleine

Die britische Premierministerin Liz Truss hat ihr Amt nach nur sechs Wochen niedergelegt. Wie schon bei ihrem Vorgänger Boris Johnson war es Widerstand aus den eigenen Reihen, der sie zu Fall brachte.

Liz Truss zieht die Reißleine

hip London

Die britische Premierministerin Liz Truss wird ihr Amt niederlegen und auch die Führung der Konservativen abgeben. Sie trat am Donnerstag vor ihrem Amtssitz in 10 Downing Street nur kurz vor die Kameras. Sie habe bereits mit dem König gesprochen, sagte Truss bei diesem anderthalbminütigen Auftritt. Sie könne „angesichts der Situation“, die sie nicht näher spezifizierte, das Mandat nicht erfüllen, mit dem sie von den Parteimitgliedern betraut worden sei. „Liz Truss hatte ein schwieriges Blatt und hat es schlecht gespielt, was sie zur Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit in der britischen Geschichte machte“, sagte Professor Richard Toye von der Universität Exeter. Das Debakel sei das Ergebnis einer weiter gehenden Krise, unter der nicht nur die Konservativen, sondern das gesamte politische System des Landes seit Jahren litten.

Untergrabenes Vertrauen

„Die Politik der vergangenen Wochen hat das Vertrauen der Menschen, Unternehmen, Märkte und internationalen Anleger in Großbritannien untergraben“, sagte Tony Danker, Generaldirektor des Unternehmensverbands CBI. „Das muss jetzt aufhören, wenn wir mehr Schaden für Haushalte und Firmen vermeiden wollen.“ Stabilität sei jetzt das Schlüsselwort. Der neue Premier werde vom ersten Tag an daran arbeiten müssen, das Vertrauen wiederherzustellen, sagte Danker.

Am Morgen hatte sich Truss mit Graham Brady getroffen, dem Vorsitzenden des für die Wahl der Parteispitze zuständigen 1922 Committee. „Wir sind dabei übereingekommen, dass die Wahl der neuen Führung in der kommenden Woche abgeschlossen sein soll“, sagte Truss, die erst 44 Tage Premierministerin ist. „Das wird sicherstellen, dass wir auf Kurs bleiben, um unsere fiskalischen Pläne umzusetzen und die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes und die nationale Sicherheit aufrechtzuerhalten.“ Sie werde noch so lange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Brady sagte im Anschluss, dass die Nachfolge bis zum 28. Oktober geklärt sein wird.

Hunt hat kein Interesse

Schatzkanzler Jeremy Hunt habe kein Interesse, zitiert der „Telegraph“ Verbündete des Nachfolgers von Kwasi Kwarteng. Kandidaten gibt es aber reichlich: Dem ehemaligen Schatzkanzler Rishi Sunak und Verteidigungsminister Ben Wallace werden die größten Chancen zugeschrieben. Doch Kemi Badenoch, Suella Braverman und Penny Mordaunt gelten auch als interessiert. Das 1922 Committee trat am Donnerstagabend zusammen, um die Regularien zu klären. George Canning war ähnlich kurz im Amt wie Truss. Er brachte es allerdings auf 118 Tage, bevor er 1827 im Amt verstarb.

Die Opposition forderte Neuwahlen. „Die Konservative Partei hat gezeigt, dass sie nicht länger das Mandat hat zu regieren“, sagte Labour-Chef Keir Starmer. Die Öffentlichkeit verdiene es mitzureden, wenn es um die Zukunft des Landes gehe. „Wir brauchen keinen weiteren konservativen Premier, der sich von Krise zu Krise schleppt“, sagte Ed Davey, der Chef der oppositionellen Liberaldemokraten. „Es ist Zeit für die konservativen Unterhausabgeordneten, ihre patriotische Pflicht zu erfüllen, das Land an die erste Stelle zu setzen und seinen Menschen die Entscheidung zu überlassen.“ Das Vereinigte Königreich befinde sich in einer Dauerkrise und im wirtschaftlichen Verfall, sagte der Fraktionsführer der schottischen Nationalisten, Ian Blackford. „Nachdem sich alle Westminster-Parteien dem wirtschaftlichen Schmerz eines harten Brexit und einer Sparpolitik verschrieben haben, ist klar, dass Unabhängigkeit der einzige Weg ist, um Schottland zu schützen und dem Chaos der Kontrolle durch Westminster zu entkommen.“

Truss’ Position wurde unhaltbar, nachdem der Widerstand gegen ihre Politik in der eigenen Fraktion unüberhörbar geworden war. Zuletzt hatten 15 Abgeordnete ihren Rücktritt gefordert. Innenministerin Suella Braverman musste am Vortag ihr Amt niederlegen. Sie betonte dabei, dass wer Fehler mache, Konsequenzen ziehen müsse.

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