Altersvorsorge

Riester-Rente droht das Ende auf Raten

In der privaten Altersvorsorge soll es einen Neustart geben. In einer Fokusgruppe wird jetzt in Berlin über neue Modelle diskutiert.

Riester-Rente droht das Ende auf Raten

Das Timing hätte kaum schlechter sein können. Im vergangenen Jahr kam es bei Anleihen zu Kursverwerfungen, weil die Zinsen drastisch gestiegen sind. „Wenn die Abrechnungen im März rausgehen, dürfte es viele aufgeregte Kunden geben. Gerade bei jungen Sparern mit langlaufenden Verträgen kam es zu Verlusten von bis zu 50%“, erläutert DWS-Vorsorgeexperte Frank Breiting. Guthaben zweistellig im Minus? In einer geförderten, privaten Altersvorsorge? Das sieht nicht nach planmäßigem Vermögensaufbau aus, mit dem die Riester-Rente die Lücken in der gesetzlichen Versicherung schließen sollte. Diese Zahlen dürften die Diskussion um die private Altersvorsorge nochmals befeuern.

Seit Ende Januar prüft eine Fokusgruppe in Berlin neue Wege in der privaten Altersvorsorge. Einerseits geht es darum, ob private Produkte mit höherer Rendite als Riester-Verträge gesetzlich anerkannt werden sollten. Andererseits geht es um die Idee eines „öffentlich verantworteten Fonds“ als kostengünstiges Vorsorgeprodukt. Bis zum Sommer erwartet die Bundesregierung einen Abschlussbericht. Neben den drei Bundesministerien Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Wirtschaft gehören der Fokusgruppe Vertreter der Anbieterverbände (GDV und BVI), des Verbraucherschutzes (Stiftung Warentest und VZBV), der Sozialpartner (BDA und DGB), der betrieblichen Altersversorgung (ABA) und der Wissenschaft an.

Man bildet einen Arbeitskreis

In der Arbeitsgruppe geht es unter anderem um die Frage, ob man mit den Produkten wie Lebensversicherung, Riester- und Rürup-Rente und ähnlichen Angeboten weitermacht oder ein ganz neues System installiert. Anlass ist die große Unzufriedenheit mit der Riester-Rente. Im Vorfeld der Fokusgruppe haben die Verbände ihre Stellungnahmen abgeliefert, die sich aber auch damit beschäftigen, ob es mit der Riester-Rente irgendwie weitergehen könnte. Zwar sind in dieser Runde nur die Verbraucherschützer für ein drakonisches „Stoppt die Riester-Rente“. Doch auch Versicherer und Fondslobbyisten sagen, dass sie sich andere Vorsorgemodelle vorstellen können. So oder so scheinen die knapp 16 Millionen Riester-Sparer wohl in ein Auslaufmodell investiert zu haben, das auf lange Sicht möglicherweise abgewickelt wird.

Aus Sicht der Verbraucherschützer muss alles anders werden. Sie haben keinerlei Zweifel am Scheitern der Riester-Rente, an der in erster Linie die Finanzbranche verdiene. „Darüber, dass Riester gescheitert ist, brauchen wir uns nicht mehr monatelang in einer Expertenkommission auszutauschen“, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). Die Verbraucherschützer halten nicht nur das Riestern für falsch, sondern auch ein Zulagensystem für problematisch und weisen darauf hin, „dass auch weite Teile der heutigen Riester-Zulagen lediglich Bestandteil des Steuerabzugs sind und keine Förderung im engeren Sinne darstellen“. Unter der Voraussetzung, dass Verbraucher mit geringem Einkommen besser abgesichert werden, sollte die Zulagenförderung aus Sicht des VZBV überdacht werden. Für die Verbraucherschützer ist ein staatlicher Vorsorgefonds (manchmal auch Deutschlandfonds oder Extrarente genannt) in der privaten Altersvorsorge die einzig sinnvolle Lösung.

Anbieter mit neuen Ideen

Die Fondsbranche hält wenig von einem staatlichen Produkt in der dritten Säule und sieht andererseits sogar gewisse Pluspunkte beim gescholtenen Riester-Modell. „Insbesondere untere Einkommensgruppen werden durch eine attraktive Zulagenförderung erreicht. Gezielte Vereinfachungen bei der Förderung könnten die Verbreitung zusätzlich ankurbeln“, heißt es in der Stellungnahme des Fondsverbands BVI.

Ein wesentliches Hemmnis beim Riester-Modell liege in der 100-prozentigen Garantiepflicht auf die eingezahlten Beiträge, die abgeschafft werden müsste. Die Fondsbranche will die Gelegenheit der Fokusgruppe aber auch nutzen, für ein Fondsspardepot mit steuerlicher Förderung zu werben. „Unser Konzept hat mit der Riester-Rente nichts zu tun. Es geht darum, den Fondssparplan als gesetzlich anerkanntes Altersvorsorgeprodukt zu etablieren, das eine höhere Rendite als Riester bietet“, sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI. Entscheidend sei, dass Sparer aus dem Netto einzahlten und eine staatliche Förderung bei der Auszahlung erhielten. Bei Riester ist es umgekehrt.

Der steuerliche Freibetrag beim Konzept eines geförderten Fondsspardepots steige für jedes Einzahlungsjahr um 2%, so dass zum Beispiel nach 25 Jahren ein Freibetrag von 50% entsteht. Damit wäre bei der Auszahlung die Hälfte des Gewinns freigestellt, und die andere Hälfte unterläge der Kapitalertragsteuer. Wenn Sparer vor dem 60. Lebensjahr ihre Fonds verkaufen würden, profitierten sie nicht von der Förderung. Das Konzept sieht eine Mindesteinzahlung und eine Obergrenze vor. „Mit dem steigenden Freibetrag kann die Politik einen Anreiz für das langfristige Sparen setzen“, so Richter.

Auch wenn es zwei Jahre zu spät komme, sei es immer noch sinnvoll, das Riester-Produkt zu reparieren, sagt auch DWS-Experte Breiting. „Das kann man im laufenden Vertrag anpassen. Wenn es in der privaten Altersvorsorge eine grundlegende Änderung gibt, wäre es erforderlich, dass man knapp 16 Millionen Riester-Verträge auflösen und neu abschließen muss.“ Dabei würden viele Kunden verloren gehen.

Aus Sicht des GDV ist die Riester-Rente ebenfalls noch nicht tot. „Es ist gut, dass es jetzt losgeht mit dem Dialog zur privaten Altersvorsorge. Die geförderte private Altersvorsorge ist reformfähig und hat eine Reform verdient“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

In seiner Stellungnahme schreibt der Verband: „Denjenigen, die sich in der Vergangenheit für eine Riester-Rente entschieden haben, sollte ebenfalls Aussicht auf eine bessere Unterstützung gegeben werden. Immerhin bestehen noch über 15,9 Millionen Riester-Verträge, deren Vorsorgekapital über 150 Mrd. Euro betragen dürfte.“

Besser wäre es bei einem Neustart der privaten Altersvorsorge aus Sicht der Versicherer, auf ein neues Pferd zu setzen. „Eine höhere Rendite im Vergleich zur heutigen Riester-Rente wird ein entsprechendes Vorsorgeprodukt dann bieten können, wenn es keinen oder weniger strengen Auflagen mit Blick auf das Garantieniveau unterliegt.“ Die sogenannte Bürgerrente der Versicherer weist eine gewisse Ähnlichkeit zu Riester auf, auch wenn das Prinzip der Förderung ganz anders konstruiert ist. Die Idee, dass es pro Euro Beitrag 50 Cent von Staat dazu gibt, ist allerdings nicht neu. Diesen Mechanismus hatten vor Jahren mehrere Anbieterverbände gemeinsam ins Spiel gebracht.

Der GDV glaubt, dass eine Bürgerrente verglichen mit der Riester-Rente höhere Renditen erreichen könne, wenn die Beiträge gewinnbringender am Kapitalmarkt angelegt werden. „Und um die Bürgerrente auf ein breites Fundament zu stellen, sollen auch Selbständige, Beamte und Arbeitslose einbezogen werden“, so der GDV.

Sozialverbände skeptisch

Während die Anbieter an das Geschäft mit der Altersvorsorge denken, klingen die Stellungnahmen der Sozialpartner anders. Die Arbeitgeber betonen die Notwendigkeit einer Reform. „Dies gilt insbesondere für die sogenannte Riester-Vorsorge, die auch wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht als attraktiv empfunden wird und nicht im erhofften Umgang genutzt wird. Die von Anfang an überwiegend negative Darstellung der Riester-Förderung und das fehlende politische Commitment haben dazu geführt, dass diese Form der Vorsorge bislang nicht stärker genutzt wird.“

Bei den Gewerkschaften fürchtet man, dass durch Riester-Produkte mit abgesenkten Garantien den Versicherten „nicht nur höhere Verlustrisiken drohen, sondern zusätzlich auch höhere Kosten entstehen“ könnten. Der DGB bezweifelt, ob private Vorsorgeprodukte über Zulagen vom Staat aktiv gefördert werden sollten. Man darf gespannt sein, ob die neue Fokusgruppe in nur fünf Sitzungen überhaupt zu einem gemeinsamen Vorschlag kommt.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

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