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Wahl der Waffen

Microsoft tritt gegen Google in neuer Rüstung an, aber die hat noch Schwachstellen. Die Gates Company kann ChatGPT zwar mit Geld und Rechnerleistung helfen, aber den Datenschatz hat Google allein.

Wahl der Waffen

Die Wahl der Waffen will bedacht sein. Das gilt nicht nur für die Ganoven im Film noir, sondern auch beim Kampfstoff „Software“. Dieser wird von den Tech-Giganten immer mehr zu einer künstlichen Intelligenz (KI) verfeinert, die nicht nur den Gegner, sondern buchstäblich die Welt „auffrisst“. Der Hype um das KI-Programm ChatGPT, das als innovativer Quantensprung bei zielgerichteter Internetsuche im Hinblick auf Nutzerintention und Kontext gefeiert wird, weckt zugleich globale Hysterie, weil das Programm bei zahllosen Aufgaben menschliche Intelligenz scheinbar überflüssig zu machen droht.

Microsoft, die mithilfe der von OpenAI entwickelten Software ChatGPT endlich eine Chance sieht, die trutzige Festung des Wettbewerbers Google bei der hochlukrativen Internetsuche mit Erfolg anzugreifen, muss ihr neues Rüstzeug daher mit Bedacht einsetzen. Nicht von ungefähr sieht der Windows-Konzern trotz milliardenschwerer Investitionen, die dem Vernehmen nach einen Anteil von 49% an OpenAI sichern sollen, von einer Mehrheitsübernahme ab. Die Kontrolle einer neuartigen, in ihren Auswirkungen noch nicht überschaubaren Software durch einen der mächtigsten Konzerne der Welt könnte nicht nur den Aufmarsch einschlägiger Behörden, sondern der gesamten Öffentlichkeit auslösen und den strategischen Vorstoß empfindlich bremsen.

Ohnehin ist nicht ausgemacht, dass die Microsoft-Suchmaschine Bing nun mit ChatGPT auf einen Schlag gerüstet ist, um das De-facto-Monopol von Google bei der Internetsuche und den damit verbundenen Werbeerlösen nachhaltig zu knacken. Kein Zweifel: Die Suchmaschine ist herausgefordert. Google, die 93% des Marktes kontrolliert, hat die Auswirkungen von ChatGPT auch ohne Microsofts Finanzierung und „Kooperation“ bereits zu spüren bekommen. Experten schätzen, dass die Suchanfragen bei Google an einzelnen Tagen um 25% eingebrochen sind, seit die KI-Software in aller Munde ist. Mehr Ansporn braucht der Konzern nicht, um das eigenentwickelte Pendant „Bard“ vorzustellen. Zunächst als Testversion. Denn der Tech-Gigant, der bei der Anwendung von künstlicher Intelligenz seit vielen Jahren als mit Abstand führend gilt, kennt besser als jeder andere die Kom­plexität und die Gefahren neuer KI-Software. Der Hinweis, dass „Sicherheit und Verlässlichkeit“ umfassender Tests be­dürfen, ist mehr als eine Schutzbehauptung, wenn man die Fundamente und Funktion von KI-Programmen bedenkt. Sie ruhen auf zwei Säulen: erstens gigantischen Datenmengen und zweitens hochleistungsfähigen Rechnern. Google hat beides. Dennoch besteht die Kunst darin, zu verhindern, dass ein Programm am Ende auf Basis einer Datenlage eine falsche Antwort gibt, beispielsweise weil mehr Leute fälschlicherweise behaupten, die Erde sei eine Scheibe und keine Kugel.

Der Konzern muss seine Abwehr daher ebenfalls mit Be­dacht organisieren. Ein Schnellschuss könnte Googles Reputation und dem Umsatz mehr schaden als ein Vorstoß von Microsoft. Zu übergroßer Eile besteht für Google auch noch kein Grund, denn ein Nachteil bleibt für die Konkurrenz: Hochleistungsfähige Rechnerkapazitäten kann Microsoft stellen, aber den Datenschatz von Google hat das Unternehmen nicht.

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