Staatshaushalt

Australien kämpft mit neuen Schulden gegen die Coronafolgen

Der wichtigste Handelspartner ist zugleich ein Unsicherheitsfaktor. Dennoch scheint die Rezession fast vergessen.

Australien kämpft mit neuen Schulden gegen die Coronafolgen

Von Alexander Hofmann, Sydney

Australiens Wirtschaft hat die Pandemie besser überstanden als fast alle vergleichbaren Länder der Welt. Die erste Rezession seit drei Jahrzehnten scheint schon fast vergessen. Um die weitere Erholung sicherzustellen, hat die konservative Regierung mit ihrem Haushalt für das kommende Finanzjahr 2021/2022 (1. Juli bis 30. Juni) erneut massiv Schulden aufgenommen und will diese auch mittelfristig nur langsam zurückfahren.

Die Zahlen vom fünften Kontinent sind beeindruckend, die negativen Voraussagen sind nicht eingetroffen. War die Regierung noch im vergangenen Jahr davon ausgegangen, dass die Arbeitslosigkeit auf bis zu 15% steigen könnte, liegt sie derzeit lediglich bei 5,6%. Schatzmeister Josh Frydenberg hat im Haushalt 2021/2022 angekündigt, dass Ende 2022 weniger als 5% arbeitslos sein werden, im Finanzjahr 2023/2024 sogar nur noch 4,5%. Die Regierung erhofft sich von der sinkenden Arbeitslosigkeit höhere Steuereinnahmen und steigende Löhne, die in Australien seit Jahren stagnieren.

Die Stützungsmaßnahmen kosten aber viel Geld. „Dies ist ein Pandemie-Haushalt“ rechtfertigte Frydenberg die hohen Ausgaben. Im derzeitigen Finanzjahr wird das Defizit 161 Mrd. austr. Dollar betragen, im kommen Jahr immer noch 106 Mrd. Insgesamt werden die Gesamtschulden bis 2024/2025 auf knapp 1 Bill. austr. Dollar ansteigen. Für eine konservative Regierung, deren wichtigstes Ziel noch vor wenigen Jahren ein ausgeglichener Haushalt war, ist das eine erstaunliche Kehrtwende. „Wie fühlen Sie sich als bester Labor-Schatzkanzler seit Paul Keating?“, startete ein Journalist süffisant sein Interview mit dem liberalen Politiker. Frydenberg ignorierte die Stichelei, aber dem Zuschauer war klar, dass die Rollen in der australischen Politik derzeit ungewöhnlich verteilt sind. Sind es normalerweise die Konservativen, die der sozialdemokratisch orientierten Labor-Partei vorwerfen, Schulden zu machen und dem Staat zu viele Aufgaben zuzuweisen, ist es derzeit fast umgekehrt.

Damoklesschwert Neuwahl

Zyniker haben seit der Veröffentlichung des Haushalts auch darauf hingewiesen, dass in Australien spätestens im September 2022 gewählt wird, die Regierung kann aber auch jederzeit vorgezogene Wahlen ausschreiben. Die besonders kostenintensiven Maßnahmen sind in der Tat klassische Labor-Bereiche. Vor allem die Altersfürsorge mit zusätzlichen fast 18 Mrd. austr. Dollar in den nächsten vier Jahren sowie die Unterstützung von Familien sind sehr teuer und werden auch in Zukunft den Haushalt belasten.

Die Voraussagen basieren auf gewissen Annahmen über den weiteren Pandemieverlauf. Frydenberg geht derzeit davon aus, dass die Mehrheit der Australier bis Ende dieses Jahres geimpft sein werden. Australien hat seit Monaten nur gelegentlich einige Corona-Infektionen, weil es sich der Außenwelt gegenüber fast komplett abgeschottet hat. Nach Einschätzung der Regierung wird sich das vermutlich auch bis Mitte nächsten Jahres nicht ändern. Das trifft vor allem die bedeutende Tourismusindustrie hart.

Dies hat verständlicherweise Auswirkungen auf die Wirtschaft. Einer der Gründe für Australiens jahrzehntelang ununterbrochenes Wirtschaftswachstum war das Bevölkerungswachstum vor allem durch Einwanderung. Lebten 1990 noch weniger als 17 Millionen Menschen auf dem fünften Kontinent, sind es heute fast 26 Millionen. Derzeit kommen nur wenige Migranten. Vor allem der bedeutende Landwirtschaftssektor leidet unter dem Mangel an ausländischen Arbeitskräften. Ein weiterer Sektor, der von der Pandemie besonders hart betroffen ist, sind die Universitäten. Neben staatlichen Geldern und Studiengebühren einheimischer Studenten finanzieren sie sich mehrheitlich durch Einkommen von hunderttausenden ausländischen Studenten vor allem aus China und Indien. Deren Zahl ist von fast 600000 auf weniger als 200000 zurückgegangen.

Frydenberg erwähnte China in seiner Haushaltsrede im Parlament mit keinem Wort, obwohl klar ist, wie wichtig Australiens bedeutendster Handelspartner ist. Die relative finanzielle Stärke Australiens stammt in erster Linie aus einer Quelle: Eisenerz. Noch im Oktober ging die Regierung von einem Durchschnittspreis von 55 Dollar per Tonne aus, derzeit kostet Eisenerz 220 Dollar und spült Milliarden in die Steuerkassen. Ob das so bleibt, ist fraglich. Australien und China befinden sich derzeit in einem Handelsstreit, China hat Produkte wie Fleisch, Wein und sogar Hummer mit hohen Strafzöllen belegt und würde vermutlich liebend gern sein Eisenerz von anderen Erzeugern erwerben. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern zeigen sich auch in der deutlichen Steigerung für Verteidigungsausgaben, die von 33,4 Mrd. austr. Dollar im derzeitigen Haushalt bis 2024/2025 auf 40,7 Mrd. steigen werden.

Während China einer der Unsicherheitsfaktoren in den Projektionen der Regierung ist, kann sie sich weiter auf den Bausektor verlassen. Zu Beginn der Pandemie prophezeiten Skeptiker noch einen drastischen Einbruch der Immobilienpreise. Das absolute Gegenteil ist eingetreten. Vor allem in den beiden Metropolen Sydney und Melbourne, in denen rund zehn Millionen Menschen leben, sind die Preise im vergangenen Jahr um fast 15% gestiegen, der Durchschnittspreis für ein Haus in Sydney liegt nun deutlich über 1 Mill. austr. Dollar.