EU-Kommission

Brüssel prüft längere Aussetzung von Fiskalregeln

Die eigentlich für 2023 wieder geplante Einsetzung der Haushalts- und Schuldenregeln in der EU könnte doch noch einmal verschoben werden. Die EU-Kommission kündigte an, wegen der neuen Unsicherheiten aufgrund des Krieges diesen Schritt zu prüfen.

Brüssel prüft längere Aussetzung von Fiskalregeln

ahe Brüssel

Angesichts der neuen wirtschaftlichen Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine erwägt die EU-Kommission, die Haushalts- und Verschuldungsregeln möglicherweise auch 2023 noch ausgesetzt zu lassen. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni kündigte bei der Vorstellung der fiskalpolitischen Leitlinien für das nächste Jahr an, einen solchen Schritt bis zur Veröffentlichung der Frühjahrsprognose im Mai zu prüfen. Die Haushaltsregeln waren nach Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 ausgesetzt worden und sollten eigentlich ab 2023 wieder gelten.

Aus dem EU-Parlament kamen unterschiedliche Reaktionen von deutschen Abgeordneten. „Jetzt zu den Fiskalregeln zurückzukehren, würde die Europäische Union sehr stark schwächen“, erklärte der Grüne Rasmus Andresen. „Die Mitgliedsstaaten brauchen ökonomische Freiräume, um auf die Folgen des Kriegs zu reagieren.“ Auch Joachim Schuster von der SPD unterstützte eine Neubewertung. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber warnte hingegen, wenn die Haushaltskonsolidierung „auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben“ werde, drohe nicht nur eine Sicherheits-, sondern auch eine Finanzkrise.

Die Europäische Kommission geht davon aus, dass der Krieg das Wachstum auch in der EU schwächt, aber nicht abreißen lässt. Sie empfiehlt den Mitgliedsstaaten daher auf Basis der kurz vor der russischen Invasion erstellten Winterprognose eine Rückkehr zu einem insgesamt weitgehend neutralen haushaltspolitischen Kurs für 2023. Vizepräsident Valdis Dombrovskis betonte jedoch, wegen der großen Unsicherheiten müsse man flexibel bleiben.

Die Brüsseler Behörde hält es derzeit noch für ratsam, ab 2023 mit einer schrittweisen Haushaltsanpassung zum Abbau hoher öffentlicher Schulden zu beginnen. Sie warnte jedoch, eine allzu abrupte Konsolidierung könnte sich negativ auf das Wachstum und damit auch auf die Schuldentragfähigkeit auswirken. Neue Verfahren wegen exzessiver Defizite sollen zurzeit nicht eingeleitet werden, wie Dombrovskis ankündigte. Im Herbst solle dieser Kurs dann noch einmal überprüft werden.

Den neuen fiskalpolitischen Leitlinien zufolge sollen hoch verschuldete Mitgliedstaaten mit einem schrittweisen Schuldenabbau beginnen, indem sie schon 2023 eine Haushaltsanpassung erreichen. Die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds oder aus anderen EU-Finanztöpfen dürften dabei aber nicht berücksichtigt werden, hieß es. Mitgliedstaaten mit niedrigem und mittlerem Schuldenstand sollten hingegen die notwendigen Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel noch verstärken, um den insgesamt neutralen politischen Kurs zu erreichen. Die Mitgliedsstaaten müssten zudem wieder Puffer aufbauen, damit sie für künftige Krisen vorbereitet seien, betonte Dombrovskis.

Bei der aktuellen Überprüfung der Haushaltsregeln zeichnet sich den Angaben zufolge zurzeit ein Konsens in einigen Punkten ab, etwa in Bezug auf eine stärkere Berücksichtigung der mittelfristigen Perspektive bei der fiskalpolitischen Überwachung.

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