Wachstum

China wahrt trotzigen Optimismus

China steht vor großen Herausforderungen bei der Konjunktursteuerung für das kommende Jahr. Gegenwärtig herrscht Optimismus, dass das Wachstum wieder an Fahrt gewinnt. Fraglich ist allerdings, ob dies ohne Zinslockerungen gelingen kann.

China wahrt trotzigen Optimismus

nh Schanghai

Chinas Konjunktur ist in der zweiten Jahreshälfte ins Schlingern geraten und bereitet den heimischen Wirtschaftsplanern einiges Kopfzerbrechen über den augenfällig anstehenden Stimulierungsbedarf. Aus der zunächst sehr imposanten V-förmigen Konjunkturerholung vom heftigen Coronaschock im Winterquartal 2020 ist längst wieder ein Durchhänger geworden. Grund ist, dass die Industrieproduktion das Aufschwungstempo nicht halten konnte, während das Dienstleistungsgewerbe und der Konsum weit davon entfernt sind, wieder den Anschluss an die vor Pandemiezeiten gewohnte Wachstumsperformance zu finden.

Im dritten Quartal 2021 ist Chinas Wachstum mit 4,9% auf ein ungewöhnlich niedriges Tempo zurückgefallen und alles spricht dafür, dass die Wirtschaft im noch laufenden vierten Quartal erneut deutlich an Schwung verloren hat. Bei der in Sachen China-Konjunktur zu den eher pessimistisch eingestellten Marktstimmen gehörenden Investmentbank Nomura rechnet man damit, dass Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das Schlussquartal 2021 über 3% Wachstum nicht hinauskommen wird (siehe Grafik). Schlimmer noch: Die Nomura-Experten erwarten, dass keine rasche Wende zum Guten bevorsteht. Für das erste Quartal 2022 werden sogar nur 2,9% avisiert.

Eine solche Prognose würde unter normalen Umständen für reichlich Alarmstimmung sorgen. Gegenwärtig aber retten die Zahlen für das jährliche BIP-Wachstum die Optik. Für das Gesamtjahr 2021 wird China aufgrund des von Corona-Basiseffekten geprägten massiven Schubs in der ersten Jahreshälfte selbst bei einem verpatzten Schlussquartal noch immer auf etwa 8% Wachstum kommen und damit die offizielle Zielvorgabe der Regierung von „mindestens 6%“ sowieso locker übererfüllen. Die große Frage allerdings ist, wie die Mindestanforderung für 2022 aussehen soll. Eine 6 vor dem Komma ist für das kommende Jahr unrealistisch, eine 5 gilt als akzeptabel, obwohl es dann die jemals niedrigste Vorgabe wäre.

Gegenwärtig neigt Peking zumindest in der Außendarstellung zu einer gelassen optimistischen Haltung: Der für das vierte Quartal absehbare Tempoverlust wird gar nicht mehr thematisiert, weil das Jahresziel 2021 ja sowieso erreicht wird und für das kommende Jahr ist von Stabilität und „vernünftigem Wachstum“ die Rede, was die für Markterwartungspflege fleißig eingesetzten Staatsmedien mit einer 5 vor dem Komma gleichsetzen.

Das Gros der China-Ökonomen stimmt dieser Sichtweise zu. Gegenwärtig liegt die Konsensschätzung für 2022 bei 5,2% BIP-Wachstum, zuletzt hat sich Morgan Stanley mit einer Prognose bei 5,5% unter die Optimisten eingereiht. Dies allerdings nur unter der Prämisse, dass Peking auch tatsächlich bereit ist, trotz wachsender Finanzstabilitäts- und Verschuldungsgefahren ziemlich breitgefächerte und umfangreiche Stimulierungsmaßnahmen zu ergreifen.

Heimische Analysten, die selten von der offiziellen Linie abweichen, gehen davon aus, dass Peking weiterhin mit einer vorsichtsbetonten Geldpolitik ohne explizite Zinslockerung über die Runden kommen will. In einer Zeit, in der führende Industrieländer wegen wachsender Inflationsgefahren erstmals seit der globalen Finanzkrise wieder Zinserhöhungen einleiten, fühlt es sich für Peking seltsam an, zur Zinssenkungswaffe zu greifen. Schließlich hat Peking westliche Zentralbanken seit Jahren für ihre unverantwortliche Niedrigzinspolitik gescholten, beziehungsweise verlacht. Nun aber sieht es so aus, dass sich Chinas Zentralbank den Luxus von über die Corona-Pandemie hinweg stabilen Leitzinsen nicht länger wird leisten können.

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