US-Notenbank

Das Dilemma der Fed

Einen so resoluten Zinsschritt wie am Mittwoch hatte die US-Notenbank zuletzt 1994 unter dem Inflationsfalken Alan Greenspan beschlossen. Obwohl im Kampf gegen die hohe Inflation weitere Zinserhöhungen unverzichtbar sind, muss die Fed nun auch die wachsende Gefahr einer Rezession im Auge behalten.

Das Dilemma der Fed

det Washington

Einen so aggressiven Zinsschritt hat es in den USA seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Als die Fed das letzte Mal den Tagesgeldsatz um 75 Basispunkte anhob, hieß der Präsident William Jefferson Clinton, und an der Spitze der Notenbank saß der ausgewiesene Inflationsfalke Alan Greenspan. Clinton konnte partout nicht verstehen, warum Greenspan bei einer Teuerungsrate, die gegen Ende 1994 bei knapp 2,8% lag, der Konjunktur einen so kräftigen Dämpfer verpassen musste. Angesichts haussierender Aktienmärkte und kräftigen Wachstums bereitete Greenspans „Präventivmedizin“ aber den Weg für eine weiche Landung der US-Wirtschaft. Nun, 28 Jahre danach, könnte es dafür zu spät sein.

Gefahr lange unterschätzt

Völlig zu Recht sieht sich der amtierende Notenbankchef Jerome Powell nämlich der Kritik ausgesetzt, „hinter der Kurve“ zu liegen, also die Inflation unterschätzt und darauf zu spät reagiert zu haben. Als die Verbraucherpreise an der Jahresrate gemessen schon seit Monaten um mehr als 5% gestiegen waren, sprach er weiterhin von einer „temporären Inflation“. Sobald sich die Versorgungsengpässe auflösen und bei den Störungen in globalen Lieferketten Entspannung einsetzt, würden sich die Preissteigerungen wieder dem flexiblen Inflationsziel von 2% nähern, gab sich Powell zuversichtlich. Eine Meinung, die seine Vorgängerin und derzeitige Finanzministerin Janet Yellen übrigens teilte.

Nach der Jahreswende setzte aber eine gewisse Panik ein. Im März wurde das Tapering, das Abschmelzen der Anleihekäufe beendet, die erste Zinserhöhung seit 2018 beschlossen und ein Plan für den Abbau der Notenbankbilanz verkündet, die mittlerweile auf 9 Bill. Dollar gestiegen war, das Doppelte vom Vorkrisenniveau. Im Mai legten Powell und Co. mit einer Straffung um 50 Basispunkte nach und gingen nun sogar einen Schritt weiter, eine Reaktion auf den unerwarteten und kontinuierlichen Anstieg der Verbraucherpreise, die vergangenen Monat mit einem Plus von 8,6% die größte Steigerung seit 1981 aufwiesen.

Große Ungewissheit

Das Problem für Powell besteht nun darin, dass er offen zugibt, im Dunkeln zu tappen. Zwar würden Zinserhöhungen um 50 Basispunkte „nicht zur Gewohnheit werden“, sagte er. Bei der Sitzung des Offenmarktausschusses im Juli sei zu erwarten, dass die Federal Funds Rate entweder um 50 oder 75 Basispunkte heraufgesetzt wird, sagte er. Darüber hinaus bleibe alles ungewiss. Dabei unterstreichen die aktualisierten Prognosen der Fed, in welchem Dilemma die Währungshüter nun stecken. So illustrieren die Zinserwartungen, die bis einschließlich 2024 deutlich hochgeschraubt wurden, dass mehr Handlungsbedarf im Kampf gegen die Inflation gesehen wird. Das ist angesichts eines PCE Preisindex, den die Fed bis Jahresende bei 5,2% und an der Kernrate gemessen bei 4,3% sieht, angemessen. Gleichzeitig wurden aber die Prognosen für das Wirtschaftswachstum deutlich gesenkt, für dieses Jahr von 2,8 auf 1,7%. Auch werde die Arbeitslosenquote wieder steigen, erwartet das FOMC.

Das wiederum könnten Vorboten jener Rezession sein, vor der viele Ökonomen warnen. Wie Mark Zandi, Chefökonom bei Moody’s Analytics zur Börsen-Zeitung sagte, scheine Powell bereits zu akzeptieren, dass im Kampf gegen die Inflation eine Rezession in Kauf genommen werden muss. „Eine Erhöhung um 50 Basispunkte hätte gereicht, und die Fed muss nun dafür Sorge tragen, dass sie mit ihren Zinserhöhungen nicht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage abwürgt“, sagte Zandi. Ihm bereitet die Tatsache Sorgen, dass die Notenbank scheinbar konzeptlos sei und „aus dem Stegreif Zinsentscheidungen trifft“.

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