Konjunkturumfragen

Deutschland steckt in einer Rezession fest

Die erneut deutlich höhere Sparneigung schickt das Verbrauchervertrauen in Deutschland im Oktober noch weiter in den Keller. Und auch die Einkaufsmanager signalisieren eine Rezession auf der ganzen Breite der Wirtschaftsaktivitäten.

Deutschland steckt in einer Rezession fest

Deutsche sparen, statt zu konsumieren

GfK-Barometer sinkt erneut – Inflation belastet –Einkommenserwartung lässt nach

ba Frankfurt

Die hohe Inflation, vor allem aber die Preissteigerungen bei Lebensmitteln verderben den deutschen Verbrauchern gewaltig die Konsumlust. Weil im Oktober erneut mehr gespart wurde, hat sich der Abwärtstrend des GfK-Konsumklimas nun abermals verstärkt. In diesem Jahr gibt es daher endgültig keine Hoffnung mehr auf ein Anspringen des privaten Konsums, erklärte Rolf Bürkl, Konsumexperte beim Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM), mit Blick auf die monatliche Umfrage unter rund 2.000 Verbrauchern. Seit diesem Oktober wird das im Auftrag der EU-Kommission erhobene Stimmungsbarometer gemeinsam von der GfK und dem GfK-Gründer NIM herausgegeben. Dass der Privatkonsum in diesem Jahr als Wachstumsstütze ausfallen wird, ist nur ein weiteres Puzzlestück in einem ohnehin trüben Konjunkturbild.

Denn der Start in den Schlussabschnitt verlief denkbar schlecht, wie der Einkaufsmanagerindex (PMI) für Oktober zeigt. Der PMI Composite, also für Industrie und Dienstleister zusammen, sank um 0,6 auf 45,8 Punkte und notiert damit den fünften Monat in Folge unter der Marke von 50 Punkten, ab der Wachstum angezeigt wird. "Vieles deutet also darauf hin, dass sich Deutschland mitten in einer Rezession befindet", urteilt Cyrus de la Rubia, Chefökonom des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank.

Abschwung in der Breite

Die vorläufigen Ergebnisse der monatlichen Umfrage zeigen zudem, dass der Abschwung in der ganzen Breite stattfindet: Die Industrieproduktion sinkt weiter kräftig und das Barometer der Dienstleister ist nach einem Plus im Vormonat wieder ins Minus gerutscht. Der Arbeitsmarkt spiegele diesen Trend wider, wobei aber die PMI-Beschäftigungsindizes "deutlich über den tristen Werten der Rezessionen von 2001/2002 und 2008/2009" liegen, wie der Chefökonom betont. Das schwache Abschneiden Deutschlands belastet auch die Entwicklung im Euroraum: Hier gab der Composite PMI um 0,7 auf 46,5 Punkte nach, wobei der Rückgang ebenfalls breit basiert war.

Die Verbraucherstimmung zeigte im Oktober ein gemischtes Bild und damit keinen klaren Trend, sagte Bürkl. Während die Konjunkturerwartung leicht zulegte, ging die Einkommenserwartung zurück. Die Anschaffungsneigung wiederum zeigte sich nahezu unverändert. Die Nürnberger Marktforscher prognostizieren daher für November den Wert des Konsumklimas auf −28,1 Punkte. Im Oktober notierte das Barometer bei −26,7 (zunächst: −26,5) Zähler.

Deutsche sparen mehr als andere

Den Deutschen wird ohnehin nachgesagt, im internationalen Vergleich viel zu sparen. Nur in wenigen Staaten wird noch mehr zurückgelegt – laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zählten dazu im Jahr 2022 die Schweiz mit 18,4% und die Niederlande mit 12,7%. Zu den Industrieländern, in denen die privaten Haushalte nur wenig des verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante legen, gehören etwa Italien (2,1%), die USA (3,7%), Japan (5,4%) oder Österreich (8,8%). In Deutschland lag die Sparquote im vergangenen Jahr bei 11,1%, im ersten Halbjahr 2023 ist sie auf 11,3% gestiegen. Zum Vergleich: In den Corona-Jahren 2020 und 2021, als wegen Lockdown und höherer Unsicherheit noch weniger konsumiert wurde, lag die Sparquote jeweils im ersten Halbjahr bei 17,2% bzw. 17,9%. Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, waren es 10,9%. Die GfK-Erhebung für Oktober zeigt einen Anstieg der Sparneigung um 0,5 auf 8,5 Punkte – das ist der höchste Stand seit den 8,8 Punkten aus dem April 2011.

Trendwende hängt an Inflation

Für eine Trendwende beim Konsum sei es unverzichtbar, dass sich der sich derzeit abzeichnende Rückgang des Preisauftriebs fortsetze, betonte Bürkl. Im September hat sich die Inflation nach europäischer Berechnungsmethode HVPI von 6,4% im August auf 4,3% abgeschwächt. „Die Inflationsrate ist auf den niedrigsten Wert seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine gefallen. Sie bleibt aber dennoch hoch“, hatte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamts (Destatis) bei der Zahlenbekanntgabe erklärt. Auch die anhaltend höheren Energiekosten knabbern weiter an der Kaufkraft der Haushalte und verhindern eine nachhaltige Erholung der Einkommenserwartungen. Das entsprechende Barometer ist laut GfK nach einer kurzen Stabilisierung wieder auf den Abwärtstrend eingeschwenkt.

Auch die Anschaffungsneigung kommt seit mittlerweile über einem Jahr nicht voran: Sie stagnierte im Oktober auf "überaus niedrigem Niveau". Ein geringerer Wert wurde zuletzt während der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008 gemessen. Ursache dürfte neben der hohen Inflation auch die zuletzt etwas gestiegene Arbeitslosigkeit sein, heißt es bei der GfK. Bei etlichen Beschäftigten nehme die Sorge um die Arbeitsplatzsicherheit zu. Für Verunsicherung sorgten zudem die steigenden Unternehmensinsolvenzen.

Erholung lässt auf sich warten

Die Konjunkturerwartungen blieben laut GfK "im Gegensatz zu den Einkommensaussichten von einem Rückschlag verschont" und stabilisierten sich. Dennoch werde damit noch keine Erholung der hiesigen Wirtschaft signalisiert.

Dies zeige sich auch an den Wachstumsprognosen für dieses Jahr: Die EU-Kommission erwartet ebenso wie die Bundesregierung ein Minus von 0,4%, das wäre die schlechteste konjunkturelle Entwicklung unter den Staaten der Europäischen Union. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum prognostiziert gar einen Rückgang um 0,5% – und sieht Deutschland als einzige der großen Industrienationen in diesem Jahr schrumpfen.

Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal wohl ein Minus aufweist, ist derweil Konsens unter Ökonomen. In ihrem Monatsbericht Oktober schrieb die Bundesbank, dass das BIP "etwas geschrumpft sein" dürfte. Der schwache Start ins vierte Quartal lässt einen abermaligen BIP-Rückgang erwarten – womit wie zuletzt in den beiden Quartalen rund um den Jahreswechsel 2022/2023 die Definition einer technischen Rezession erfüllt wäre. Das Statistische Bundesamt informiert voraussichtlich am Montag über die Entwicklung von Juli bis September.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.