Cursiv

Ein König für das Parla­ment

König Charles III. spricht bei seiner Deutsch­land­reise im Bundes­tag und hält eine über­raschend politische Rede. Sogar von den Linken kommt Applaus.

Ein König für das Parla­ment

Von Angela Wefers, Berlin

Mit einer Geste hat König Charles III. die Herzen der deutschen Abgeordneten schon schnell gewonnen. Der erste Monarch, der überhaupt im deutschen Bundestag redete, sprach deutsch. Es waren nicht nur einige Höflichkeitsfloskeln, mit denen er in der Landessprache einleitete, sondern weite Passagen einer langen Rede in geschliffenem Deutsch. Nur gelegentlich wechselte der König in seine Muttersprache, auch für humorvolle Passagen.

Charles hielt eine politische Rede – keine tagespolitische, denn dies ist Sache der britischen Regierung – aber eine weltpolitische. Das Staatsoberhaupt sprach über die jahrhundertealte deutsch-britische Freundschaft, die berührende Anteilnahme der Deutschen am Tod seiner Mutter, Queen Elizabeth II., das Leid durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Sicherheit Europas, die bedrohten demokratischen Werte und die Haltung der freien Welt, die sich gemeinsam für die Ukraine, Frieden und Freiheit starkmacht. Charles bewertete sogar die große deutsche militärische Unterstützung für die Ukraine als „überaus mutig, wichtig und willkommen“.

Schon früh in seinem Leben hatte er sich mit Umweltfragen beschäftigt und für Nachhaltigkeit eingesetzt. Am Freitag in Hamburg wird er Einblick in Pläne erhalten, wie die Hansestadt mit dem Einsatz von Wasserstoff ihren Hafen komplett auf Nachhaltigkeit umstellen will. Er freue sich darauf, sagte Charles. Wer sich auch freute, war – der Mimik nach zu urteilen – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Scholz war Erster Bürgermeister Hamburgs und hat dort manche Entwicklung auf den Weg gebracht, die heute erst sichtbar wird. Innovationen seien lebensnotwendig, um die Herausforderung des Klimawandels und der Erderwärmung zu bestehen, sagte Charles. Am Vortag hatte er Teilnehmer des „Berlin Energy Transition Dialogs“ getroffen, eine hochkarätig und international besetzte Konferenz zu Strategien für den Umbau der weltweiten Energiesysteme hin zur Klimaneutralität.

Eine so politische Rede hätte die Queen wohl kaum gehalten. Im Reichstagsgebäude unter der Kuppel des britschen Architekten Lord Norman Forster setzte der Auftritt des neuen Königs ein Zeichen und markierte einen neuen Stil in der britschen Monarchie. Sie rückt deutlich näher an die Republik heran. Unausgesprochen aber präsent blieb der Brexit bei Charles. Nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war am Abend zuvor beim Staatsbankett explizit darauf eingegangen. Genau auf den Tag vor sechs Jahren hatte die britische Regierung am 29. März das Austrittsgesuch bei der Europäischen Union eingereicht.

Im Zeitpunkt der Reise – noch vor der Krönung – kann der geneigte Beobachter dennoch eine klare Botschaft erkennen. Der erste Staatsbesuch des Monarchen führte ihn nach Deutschland. Der Besuch in Frankreich fiel wegen der Unruhen aus. Großbritannien sucht nach dem Brexit enge Bindungen. Mit Deutschland sind sie nach 1945 wieder gewachsen. Charles fühlt sich dem Land verbunden. Mehr als 40 Mal war er schon hier. Die Abgeordneten dankten es ihm mit Standing Ovations. Selbst in der Fraktion der Linken, die zuvor in Klassenkampf-Rhetorik gegen den Auftritt des Monarchen gemurrt hatte, wurde geklatscht.

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