Inflation

Erzeugerpreise im Euroraum steigen in Rekordtempo

Die Erzeugerpreise steigen mit Rekordtempo – und das dürfte sich nach einiger Zeit auch in den Verbraucherpreisen widerspiegeln. Die Notenbanken sind am Zug. Ökonomen verlangen von der EZB hier eine schnellere Gangart als bisher.

Erzeugerpreise im Euroraum steigen in Rekordtempo

Die Preise der Hersteller in der Euro-Zone steigen so schnell wie noch nie. Die Produzentenpreise in der Industrie erhöhten sich im Juli um 37,9% im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg von 35,8% gerechnet. Im Juni lag das Plus bei 36,0% und im Mai bei 36,2%.

Allein im Energiebereich gab es im Juli einen kräftigen Anstieg von 96,2%. Bleibt dieses Segment außen vor, zogen die Erzeugerpreise in der Industrie immer noch um 15,5% an. In der Statistik werden die Preise ab Fabriktor geführt – also bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können damit einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Verbraucherpreise geben.

Der Energiepreis-Schub infolge des Ukraine-Kriegs treibt die Inflation im Euro-Raum denn auch auf immer neue Rekordstände – zuletzt auf 9,1%. Dies lässt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) die Alarmsirenen schrillen. Sie peilt 2% Teuerung an und hat im Kampf gegen die Inflation im Juli die Zinswende eingeleitet. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde dürften auf der Zinssitzung am 8. September kräftig nachlegen.

Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen

Denn nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg unter Ökonomen hinkt die EZB den geldpolitischen Erfordernissen noch immer hinterher und wird zur Eindämmung der Inflation deshalb entschlossener vorgehen müssen als bislang angenommen.

Trotz der überraschend starken Zinserhöhung im Juli sind mehr als zwei Drittel der von Bloomberg Befragten der Meinung, dass die Hüter des Euro im Kampf gegen die Teuerung zu langsam gehandelt haben. Die August-Daten haben für die Eurozone gerade einen Anstieg der Verbraucherpreise um 9,1% gezeigt, mehr als erwartet wurde.

Für die geldpolitische Entscheidung in der nächsten Woche prognostizieren die Volkswirte einen Zinsschritt um 75 Basispunkte. Zudem gehen sie davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus mit einem höheren Endwert ausklingen wird als bislang angenommen.

Die Umfrage reflektiert die Erwartung, dass die EZB dem Kampf gegen die Teuerung trotz der damit einhergehenden Rezessionsgefahr Vorrang einräumen wird. Mit einer Zinsanhebung um 75 Basispunkte, die inzwischen auch von den Geldmärkten eingepreist wird, würde sich die EZB dem geldpolitischen Kurs der Federal Reserve nähern, die bereits zwei Zinsschritte in dieser Größenordnung vorgenommen hat.

„Die EZB wird ihre Zinserhöhungen in einem beschleunigten Tempo fortsetzen und ein Falken-Signal senden“, erwartet Swedbank-Ökonom Nerijus Maciulis. „Sie muss ihren Ruf wiederherstellen und dafür sorgen, dass sie einen Inflationsrückgang als Sieg für sich verbuchen kann.“

Schnellere Zinserhöhungen dürften zudem den Euro stützen, der mit dem aggressiven Zinserhöhungskurs der Fed unter Druck geraten ist. Dies würde für Entspannung in Bezug auf die Teuerung sorgen, die durch die Währungsschwäche beim Import von Rohstoffen bewirkt wurde.

Die überwiegende Mehrheit der befragten Analysten geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone mindestens zwei Quartale lang schrumpfen wird. Mehr als die Hälfte der Befragten geht nicht davon aus, dass der Abschwung länger dauern wird.

Wachstum im Blick

„Die EZB wird weiterhin eine harte Linie gegen die Inflation fahren, obwohl es Anzeichen für eine Verlangsamung des Wachstums gibt”, so Claus Vistesen, Ökonom bei Pantheon Macroeconomics. „Wir gehen sogar davon aus, dass die EZB offen zugeben wird, dass sich die Wirtschaft in einer Rezession befindet, dass sie die Zinsen aber trotzdem weiter erhöhen wird.”

Neue EZB-Prognosen

EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird nächste Woche aktualisierte Prognosen vorlegen, die das geldpolitische Dilemma verdeutlichen dürften: Während die Konjunkturschätzungen wohl gesenkt werden, werden die Inflationsprognosen voraussichtlich nach oben korrigiert.

Auch im Jahr 2024 dürfte die Teuerungsrate im Euroraum noch über dem EZB-Zielwert von 2% liegen. Die Bandbreite der Prognosen ist diesbezüglich jedoch groß, was die Schwierigkeiten bei der Vorhersage inmitten der durch den Krieg in der Ukraine verursachten Unsicherheit widerspiegelt.