Konjunktur

Euro-Wirtschaft steht gut da

Steigende Corona-Infektionszahlen und anhaltende Lieferkettenprobleme haben Sorgen vor einer deutlichen Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität in Europa aufkommen lassen. Wie geht es nun weiter?

Euro-Wirtschaft steht gut da

ms Frankfurt

Die Euro-Wirtschaft präsentiert sich auch im August in außerordentlich guter Verfassung und steuert auf ein erneut kräftiges Wachstum im dritten Quartal zu. Darauf deuten die am Montag veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes hin, die zwar etwas stärker nachgaben als erwartet, aber auf sehr hohem Niveau verbleiben. Das gilt nicht zu­letzt auch für Deutschland. Zugleich wachsen aber die Sorgen, vor allem mit Blick auf die vierte Coronawelle und die anhaltenden Engpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten.

Die Umfragen waren mit besonderer Spannung erwartet wor­den, weil zuletzt zunehmend Be­fürchtungen über eine deutliche Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität in Europa aufgekommen sind. Grund dafür sind zum einen die in Europa wie weltweit wieder steigenden Corona-Infektionszahlen und Befürchtungen über neue Eindämmungsmaßnahmen sowie die Probleme in den globalen Lieferketten, etwa bei Halbleitern für die Autoindustrie. Hinzu kommt, dass die chinesische Wirtschaft als globale Konjunkturlokomotive an Schwung verliert.

Die vom Institut IHS Markit am Montag veröffentlichten Monatsumfragen dämpfen nun ein wenig die Konjunktursorgen. Zwar gab der kombinierte Index für die Industrie und den Dienstleistungssektor im August von zuvor 60,2 Punkten auf 59,5 Zähler nach – etwas stärker als von Volkswirten im Durchschnitt erwartet. Der Wert liegt damit aber nicht nur weiter deutlich oberhalb der Marke von 50 Punkten, die wirtschaftliches Wachstum anzeigt, sondern auch nahe der zuvor erreichten Rekordstände. Im Juli hatte der Index ein 15-Jahres-Hoch erreicht.

„Beeindruckende Dynamik“

„Der Wirtschaftsaufschwung der Eurozone hat im August seine beeindruckende Dynamik beibehalten. Der PMI ist gegenüber dem jüngsten Höchststand von Juli nur leicht gesunken und hat damit im dritten Quartal 2021 den bisher höchsten Durchschnittswert seit 21 Jahren erreicht“, sagte IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. „Obwohl die Ausbreitung der Delta-Variante in der gesamten Region weitreichende Probleme verursachte, die Nachfrage dämpfte und weitere Lieferprobleme verursachte, profitierten die Unternehmen von den deutlichsten Lockerungen der Corona-Restriktionen seit Ausbruch der Pandemie.“

Positiv ist insbesondere, dass der Index für den Dienstleistungssektor nur ein minimales Minus von 59,8 auf 59,7 Zähler verzeichnete. Die Dienstleister dürften damit im dritten Quartal wie schon im zweiten Quartal kräftig zulegen und erheblich zum erwarteten Wirtschaftswachstum beitragen. Sie profitieren vom Nachholbedarf der Haushalte etwa in Sachen Shopping, Restaurantbesuche oder Urlaub. Erstmals seit Februar 2020 lag der Indexwert für den Dienstleistungssektor oberhalb dem für die Industrie (59,2 Punkte). Das belege auch die Rotation im Konsumverhalten in Richtung Dienstleistungen, betonten die Volkswirte von Morgan Stanley.

Für die Industrie gab der Einkaufsmanagerindex im August gegenüber zuvor 61,1 um fast 2 Punkte nach. Die Industrie leidet zunehmend unter Lieferengpässen und Rohstoffknappheiten. Deswegen stagniert die Industrieproduktion trotz prall gefüllter Auftragsbücher. Inzwischen nehmen zwar Befürchtungen zu, dass sich diese Probleme länger halten als gedacht. Dennoch spricht bislang vieles dafür, dass die Industrie danach wieder an Fahrt aufnehmen wird. Für das dritte Quartal zeichnet sich nun mithin wieder ein kräftiges Wachstum ab. Im zweiten Quartal hatte die Euro-Wirtschaft nach der Rezession im Winterhalbjahr um 2,0% zugelegt. Ein ähnliches Plus scheint auch nun wieder möglich. Wie es darüber hinaus weitergeht, hängt wesentlich davon ab, ob es wegen der Pandemie zu neuen Gegenmaßnahmen bis hin zu erneuten Lockdowns kommt und wie schnell die Lieferprobleme überwunden werden. „Grund für neuerliche Alarmstimmung besteht derzeit nicht, aber man muss durchaus noch wachsam bleiben“, sagte Elmar Völker, Anleihenexperte der LBBW.

Deutsche Industrie leidet

Ein ähnliches Bild wie für den Euroraum insgesamt zeichnet der Einkaufsmanagerindex auch für Deutschland. Nach dem Rekordhoch von 62,4 Zählern im Juli gab er deutlich nach, signalisiert mit 60,6 im August aber abermals starkes Wachstum. Laut IHS Markit liegt der Index erneut auf einem der höchsten Werte seit Umfragebeginn im Jahr 1998. Im Dienstleistungssektor liefen die Geschäfte dabei fast genauso gut wie im Rekordmonat Juli. In der Industrie schwächte sich die Produktionsrate hingegen deutlich ab – von 63,7 auf 59,0 Punkte. Das ist der zweitniedrigste Wert seit Jahresbeginn. Insgesamt deutet der Index aber weiter darauf hin, dass das Wachstum im dritten Quartal etwas stärker ausfällt als im zweiten Quartal mit 1,5%.

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