Konjunktur

Euroland vor ungemütlichen Zeiten

Neue Konjunkturdaten aus dem Euroraum verstärken die Sorge vor einer starken Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität oder sogar einer Rezession – während zugleich der Inflationsdruck weiter hartnäckig hoch bleibt.

Euroland vor ungemütlichen Zeiten

ms Frankfurt

Neue Konjunkturdaten aus dem Euroraum verstärken die Sorge vor einer starken Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität oder sogar einer Rezession – während zugleich der Inflationsdruck weiter hartnäckig hoch bleibt. Damit verstärkt sich das Dilemma für die Euro-Fiskalpolitik und die Europäische Zentralbank (EZB), die den Spagat schaffen müssen zwischen nötiger Unterstützung der Konjunktur und entschlossenem Kampf gegen die zu hohe Inflation.

Die Euro-Wirtschaft hat im zweiten Quartal mit einem unerwartet ho­hen Wachstum von 0,7% positiv überrascht. Zuletzt mehrten sich aber Signale für eine deutliche Ab­schwächung. Die Warnungen vor ei­ner Rezession im zweiten Halbjahr nehmen zu. Hintergrund ist vor al­lem der Ukraine-Krieg, der zugleich die Inflation zusätzlich befeuert. Die Politik steht deshalb unter zunehmendem Druck, die Bürger zu entlasten und die Wirtschaft zu stützen. Das könnte aber auch den Preisdruck verschärfen. Die EZB hat ihrerseits die Zinswende eingeleitet. Unklar ist aber, wie stark diese ausfallen wird.

Am Mittwoch bestätigte nun der Einkaufsmanagerindex von S&P Global, dass sich die Unternehmensstimmung in der Eurozone im Juli weiter verschlechtert hat und eine leichte wirtschaftliche Schrumpfung wahrscheinlich ist. Zwar wurde der Wert gegenüber der ersten Schätzung um 0,5 Punkte auf 49,9 Zähler nach oben revidiert, wie die Marktforscher mitteilten. Dennoch liegt der Indikator erstmals seit Februar 2021 knapp unter der Marke von 50 Punkten, die Wachstum von Schrumpfung trennt.

„Die Konjunktur im Euroraum verschlechtert sich in allen Sektoren und Ländern auf breiter Basis, was unsere Erwartung untermauert, dass die Wirtschaft bis Ende 2022 in eine Rezession abrutschen wird“, kommentierten die Volkswirte von Barclays Capital. Noch gibt es aber auch Ökonomen, die davon ausgehen, dass eine ausgewachsene Rezession vermieden werden kann.

Schlechte Nachrichten gab es am Mittwoch auch vom Einzelhandel in der Eurozone. Die Einzelhandelsumsätze sanken im Juni überraschend um 1,2% gegenüber dem Vormonat, wie Eurostat mitteilte. Analysten hatten hingegen im Schnitt mit einer Stagnation gerechnet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gaben die Umsätze um 3,7% nach. „Der Einzelhandelsumsatz in der Eurozone sinkt weiter, da die Inflation drückt“, sagte Bert Colijn, Senior Economist für die Eurozone bei der ING.

Die Inflation im Euroraum ist im Juli auf das Rekordhoch von 8,9% geklettert. Das reduziert die reale Kaufkraft insbesondere der einkommensschwächeren Haushalte, die höheren Energie- und Lebensmittelpreisen kaum ausweichen können.

Bislang ist an der Inflationsfront kaum große Entspannung in Sicht. Im Gegenteil: Der Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Stufen ist weiter sehr hoch. Am Mittwoch teilte Eurostat mit, dass die Erzeugerpreise im Juni zum Vorjahresmonat um 35,8% zugelegt haben. Damit hat sich die Dynamik zwar wie erwartet erneut etwas ab­geschwächt. Im April waren die Preise mit Rekordgeschwindigkeit ge­stiegen, schon im Mai aber etwas schwächer. Die Rate ist aber immer noch sehr hoch. Die Entwicklung schlägt teilweise und mit Zeitverzug auf die Verbraucherpreise durch.

In den nächsten Monaten könnte die Inflation zudem anziehen, wenn die staatlichen Maßnahmen wie et­wa in Deutschland das 9-Euro-Ticket auslaufen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlichte am Mittwoch eine Studie, laut der die Inflation in Deutschland ohne solche staatlichen Eingriffe und preisdämpfende administrierte Preise noch um 2 Prozentpunkte höher liegen würde als ohnehin (siehe Grafik). Die Studie bezieht sich auf die EU-harmonisierte Rate (HVPI), die im Juni bei 8,2% gelegen hatte. Ohne Eingriffe wären es also 10,2% gewesen. Nach dem Auslaufen der Maßnahmen könnte die Inflation entsprechend wieder höher ausfallen, so das IW.

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