Geldpolitik

EZB-Analyse nährt Sorge um Inflations­erwartungen

Die Inflationserwartungen stehen derzeit mit Blick auf die Lohnentwicklung und die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik im besonderen Fokus der EZB. Eine neue Analyse der EZB selbst schürt nun die Bedenken.

EZB-Analyse nährt Sorge um Inflations­erwartungen

Die extrem hohe Inflation im vergangenen Jahr hat laut einer EZB-Analyse dazu geführt, dass die Inflationserwartungen der Verbraucher weniger stark im Bereich des EZB-Inflationsziels von 2,0 % verankert sind als vorher. Vor allem jene Konsumenten, die aktiv in der Lohn- und Preissetzung involviert sind, schraubten demnach ihre Erwartungen nach oben. Das dürfte die Sorgen vieler Euro-Notenbanker vor einer „Entankerung“ der Inflationserwartungen und einer Lohn-Preis-Spirale schüren. Bundesbankpräsident Joachim Nagel untermauerte bereits seine Forderung nach weiteren deutlichen Zinserhöhungen – auch über März hinaus.

Die Inflationserwartungen stehen derzeit mit Blick auf die Lohnentwicklung und die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik im besonderen Fokus der EZB. Die Inflation im Euroraum hat zum Jahreswechsel deutlich von 10,6% im Oktober auf 8,6% im Januar nachgegeben. Sie liegt damit aber immer noch deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Zielwerts. Hinzu kommt, dass sich die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel bislang nicht abschwächt, sondern im Gegenteil im Januar sogar auf einen Rekordwert von 5,3% geklettert ist.

Der EZB-Rat hatte Anfang Februar seine Leitzinsen erneut um 50 Basispunkte erhöht und für März das Gleiche avisiert. Für die Zeit danach hielt er sich aber recht bedeckt. Die Euro-Notenbanker ringen nun durchaus kontrovers um den weiteren Kurs. Die Hardliner („Falken“) dringen auf weitere kräftige Zinserhöhungen über März hinaus. Die „Tauben“ dagegen mahnen mit Blick auf die schwächelnde Konjunktur vor einer Überreaktion. Auch unter Ökonomen ist der Kurs umstritten. Seit Juli 2022 hat die EZB ihre Leitzinsen um beispiellose 300 Basispunkte erhöht.

Die am Freitag veröffentlichte Analyse von EZB-Volkswirten ist nun eher Argumentationshilfe für die „Falken“. Darin analysieren die Ökonomen die Entwicklung der Inflationserwartungen auf Basis des monatlichen Consumer Expectations Survey (CES) der EZB. Ihr klares Fazit: „Die Daten deuten darauf hin, dass diese Erwartungen im Laufe des Jahres 2022 begannen, weniger fest bei dem Inflationsziel der EZB von 2% verankert zu sein.“ Laut dem jüngsten, Anfang Februar veröffentlichten CES sagten die Verbraucher im Dezember auf Sicht von drei Jahren im Median eine Inflationsrate von 3,0% voraus. Im Mittelwert verharrte die Inflationserwartung auf Sicht von drei Jahren bei 4,6%.

Laut den Ökonomen gab es im März 2022 eine „deutliche Verschiebungen“ in den Erwartungen – nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und mit der sich abzeichnenden Energiekrise. Die Experten attestieren dabei zunächst eine gewisse „Überreaktion“ und eine „übermäßige Sensibilität“ auf Inflationsnachrichten. Die Anhebung der Erwartungen ab Juni aber „muss zum Teil auch so interpretiert werden, dass sie die früheren Bedenken der Verbraucher hinsichtlich der mittelfristigen Persistenz der Inflation ex post bestätigt haben“.

Was die Euro-Notenbanker noch mehr sorgen dürfte, ist, dass jene CES-Befragten, die für sich eine aktive Rolle in der Lohn- und Preissetzung reklamieren, ihre Inflationserwartungen noch deutlicher erhöhten als der CES-Durchschnitt. „Diese Ergebnisse könnten somit auf ein erhöhtes Risiko für die künftige Inflation hindeuten, das mit gestiegenen Inflationserwartungen und einem schwindenden Vertrauen sowohl bei den Preis- als auch bei den Lohnsetzern zusammenhängt“, heißt es. Die EZB müsse deshalb entschlossen handeln und kommunizieren.

Bundesbankchef Nagel sagte am Freitag beim G20-Treffen in Bangalore, dass die Kerninflation über den März hinaus auf einem sehr hohen Niveau verharren und nur langsam zurückgehen werde. „Deswegen schließe ich nicht aus, dass auch weitere Zinsschritte, deutliche Zinsschritte, über den März hinaus erforderlich sein werden.“ Genauso hatte sich Nagel bereits Anfang Februar im Interview der Börsen-Zeitung geäußert (vgl. BZ vom 7. Februar).

Die Blicke richten sich nun bereits stark auf den Donnerstag, wenn Eurostat eine erste Schätzung für die Inflation im Februar veröffentlicht. Volkswirte erwarten im Mittel einen weiteren Rückgang der Gesamtrate. Bei der Kernrate gehen die Erwartungen teils merklich auseinander.

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