Konjunktur Frankreich

Frankreichs ambitionierte Wachstumswette

Frankreich hat seine Wachstumsprognose gesenkt und neue Einsparungen angekündigt. Das dürfte nicht reichen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht unter Beobachtung der Ratingagenturen.

Frankreichs ambitionierte Wachstumswette

Frankreichs ambitionierte Wachstumswette

Zweitgrößte EU-Volkswirtschaft hat Prognose gesenkt, doch Experten halten das neue Ziel immer noch für ziemlich ehrgeizig

wü Paris

Die Ankündigung war bereits seit einiger Zeit erwartet worden, hat jedoch wegen der Regierungsumbildung auf sich warten lassen. Am Wochenende trat dann Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die Flucht nach vorne an und kündigte in den Sonntagabendnachrichten an, die Regierung senke ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 1,4% auf 1%.

Zusätzliche Einsparungen

Seitdem rätseln Beobachter, wie realistisch die neue Prognose ist. Zumal Le Maire jetzt auch zusätzliche Einsparungen über 10 Mrd. Euro ankündigte, die nach Ansicht einiger Experte wie Charles-Henri Colombier vom Wirtschaftsforschungsinstitut Rexecode kurzfristig rezessive Auswirkungen haben dürften.

Doch die bisher angekündigten Einsparungen werden nicht ausreichen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht unter Zugzwang, da die Ratingagenturen die Situation ab Ende April erneut unter die Lupe nehmen werden. S&P hat im Dezember zwar auf eine Abstufung verzichtet, doch den Ausblick wegen der Unsicherheiten bezüglich der öffentlichen Finanzen auf negativ belassen.

Öffentliche Finanzen "Besorgnis erregend"

"Die Situation der öffentlichen Finanzen bleibt Besorgnis erregend", urteilt Oddo-BHF-Chefökonom Bruno Cavalier. Immerhin sei Frankreich nach Griechenland und Italien das Land mit der höchsten Staatsverschuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im dritten Quartal 2023 betrug sie 111,9% des BIP, in der Eurozone im Schnitt 89,9%.

Vergangenen Sommer hat die französische Staatsverschuldung erstmals die Grenze von 3.000 Mrd. Euro überschritten. Seitdem hat sie weiter zugelegt. Die genauen Zahlen für 2023 will das Statistikamt Insee am 26. März veröffentlichen. Andere makroökonomische Indikatoren sehen nicht besser aus, auch wenn das Handelsbilanzdefizit letztes Jahr wieder auf 99,6 Mrd. Euro gesunken ist. Es hatte 2022 mit 163 Mrd. Euro einen historischen Höchststand erreicht.

Schwieriger als erwartet

Für die Regierung gestaltet sich die Sanierung des Staatshaushalts offenbar schwieriger als gedacht. Laut Nachrichtenagentur AFP soll das Wirtschaftsministerium zugegeben haben, dass das für letztes Jahr angepeilte Haushaltsdefizit von 4,9% schwer einzuhalten sein werde. Frankreich muss Brüssel vor den Europawahlen im Frühjahr mitteilen, wie es bis 2027 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen will. Ziel von Wirtschaftsminister Le Maire ist bisher, das Defizit in diesem Jahr auf 4,4% zu senken.

Diese Absicht beruht jedoch auf der gerade gesenkten Wachstumsprognose. Sollte Frankreichs Wirtschaft schwächer wachsen, wird es für die Regierung schwieriger, das Defizit wie geplant zu senken. Zumal sie seit Anfang Januar neue Hilfen für Landwirte und Prämien für Ordnungshüter versprochen hat, die helfen, die Olympischen Spiele zu sichern. Diese könnten zwar wie 2012 in London im dritten Quartal den Konsum ankurbeln, doch der Effekt dürfte in den Quartalen danach wieder nachlassen, meint Oddo-BHF-Chefökonom Cavalier.

Geringe Erwartungen

Ein Wachstum von 1% in diesem Jahr sei zwar nicht unmöglich, erklärt er. Aber dafür müsse die Wirtschaft zu Jahresbeginn wieder anspringen. Die letzten Indikatoren seien jedoch nicht so gut. So lägen die jüngsten Umfragen zum Geschäftsklima unter den Normalwerten. Cavalier hält deshalb ein Wachstum von 0,5% für realistischer. Die OECD geht von 0,6% aus. Zumindest dürfte es schwierig werden, ein besseres Wachstum als 2023 mit 0,9% zu erzielen.

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