EU-Kommission

Haushalts­regeln liegen auch 2023 auf Eis

Die seit 2020 ausgesetzten Budgetregeln sollen nach dem Willen der EU-Kommission auch 2023 ausgesetzt bleiben. Auch in Sachen Defizitverfahren setzt sie auf Kontinuität.

Haushalts­regeln liegen auch 2023 auf Eis

ahe Brüssel

Die EU-Kommission hat wie erwartet vorgeschlagen, die europäischen Haushalts- und Verschuldungsregeln auch 2023 noch ausgesetzt zu lassen. Die Brüsseler Behörde begründete dies am Montag mit der „erhöhten Unsicherheit und den erheblichen Abwärtsrisiken“, die es aufgrund des Kriegs in der Ukraine für die Wirtschaftsaussichten gibt. Dazu gehörten auch die beispiellosen Energiepreissteigerungen und die anhaltenden Störungen der Lieferketten, was nach Ansicht der Kommission eine Verlängerung der sogenannten „allgemeinen Ausweichklausel“ bis 2023 rechtfertigt.

Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche ihre Prognosen bereits deutlich reduziert und für das Euro-Währungsgebiet nur noch ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,7% in diesem Jahr und 2,3% im kommenden Jahr in Aussicht gestellt. Im Februar lagen die Prognosen noch bei 4,0 % und 2,7%. Zwar erweise sich die EU-Wirtschaft nach wie vor als resilient, hieß es nun. Aber Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe ein neues Umfeld geschaffen, das die bestehenden Wachstumshemmer noch gestärkt habe. „Wir sind weit von der wirtschaftlichen Normalität entfernt“, betonte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Der nationalen Finanzpolitik müsse auch 2023 der nötige Spielraum gegeben werden, um bei Bedarf umgehend reagieren zu können. Gentiloni stellte zwar klar, dass dies keinesfalls eine Rückkehr zu einer unbegrenzten Ausgabenpolitik bedeute und die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft deutlich gezielter als noch im Laufe der Pandemie erfolgen müssten. Die politischen Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise und die Kosten für die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge würden aber zumindest in diesem Jahr noch zu einem insgesamt expansiven finanzpolitischen Kurs in der EU beitragen.

Die G7-Finanzminister hatten noch am Freitag ein Ende der expansiven Fiskalpolitik gefordert. Gentiloni verwies nun aber auch auf den hohen Investitionsbedarf für die grüne Transformation der Wirtschaft, der sich seinen Worten zufolge auf 650 Mrd. Euro an zusätzlichen Investitionen pro Jahr bis 2030 summiert. In ihren neuen länderspezifischen Empfehlungen, die die EU-Kommission am Montag ebenfalls veröffentlichte, wurde in diesem Jahr daher auch ein Fokus darauf gelegt, wie über Reformen und Investitionen die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert werden kann.

Die Kommission bekräftigte, dass sie vorerst nicht vorhat, neue Defizitverfahren einzuleiten. Damit bleibt aktuell Rumänien das einzige Land, das sich in einem Verfahren wegen übermäßiger Budgetdefizite befindet. Zugleich reduzierte die Brüsseler Behörde die Zahl der Länder, bei denen sie makroökonomische Ungleichgewichte sieht.

Rückenwind für Kroatien

Irland und Kroatien werden von dieser Liste gestrichen, da in beiden Ländern die Schuldenquoten im Laufe der Jahre erheblich zurückgegangen sind und diese nach Einschätzung der Kommission weiterhin eine starke Abwärtsdynamik aufweisen. Kroatien könnte von dieser Entscheidung auch bei seinem weiteren Weg in die Eurozone profitieren. In der nächsten Woche wird hierzu ein neuer Konvergenzbericht veröffentlicht.

Ungleichgewichte stellt Brüssel weiterhin in zehn Mitgliedstaaten fest. Deutschland gehört wegen des hohen Leistungsbilanzdefizits weiter dazu. Nichts geändert hat sich auch an der Einschätzung, dass die Ungleichgewichte in Italien, Griechenland und Zypern übermäßig hoch sind. In ihrem neuen Bericht über die verstärkte Überwachung Griechenlands kommt die Kommission allerdings durchaus zu einem positiven Zwischenfazit, so dass Athen auf dieser Basis in den kommenden Wochen auf weitere Schuldenerleichterungen von 748 Mill. Euro hoffen kann.

Die Vorschläge der Kommission – auch die zur weiteren Aussetzung der Budgetregeln – werden nun von den EU-Ländern beraten. Am Rande der Eurogruppe signalisierten mehrere Finanzminister bereits Zustimmung. Bundesfinanzminister Christian Lindner warnte allerdings davor, mit zusätzlichen Schulden die hohe Inflation weiter anzuheizen. „Wir müssen die Sucht nach immer mehr Verschuldung beenden, so schnell wie möglich“, sagte er in Brüssel. Die Bekämpfung der Inflation müsse jetzt Priorität haben. Sie sei eine Gefahr für die Wirtschaft und könne ein „Verarmungsprogramm“ sein.

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