Unternehmensinsolvenzen

Insolvenz­zahlen ziehen an

Im März sind die beantragten Regelinsolvenzen in die Höhe geschossen. Dieser Schnellindikator und zunehmender Beratungsbedarf lassen Experten mit weiter steigenden Zahlen rechnen. Insbesondere energieintensive Unternehmen sind in Gefahr.

Insolvenz­zahlen ziehen an

ba Frankfurt

Im Insolvenzgeschehen in Deutschland zeichnet sich eine Wende ab: Nachdem zahlreiche Ausnahmen wegen der Corona-Pandemie lange sogar für rückläufige Pleitezahlen gesorgt hatten, steht nun ein deutlicher Anstieg bevor. Dazu kommen die noch unabsehbaren Folgen des Ukraine-Krieges – für die Unternehmen, aber auch die Wirtschaft insgesamt. Ökonomen haben daher reihenweise die Wachstumsprognosen kräftig eingedampft. Am Donnerstag folgte die Ratingagentur Scope, die nur mehr ein Plus von 2,0 bis 2,5% in diesem Jahr erwartet – bislang waren es 4,4%. 2023 soll das Wachstum dann bei 3% liegen.

Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), sieht in dem erhöhten Beratungsbedarf – insbesondere bei energieintensiven Unternehmen – erste Anzeichen für einen künftigen Anstieg der Insolvenzzahlen. „Die stark gestiegenen Energiepreise werden für viele Unternehmen zur Existenzbedrohung“, betonte Niering. Das von der Bundesregierung jüngst beschlossene Maßnahmenpaket zur Unterstützung deutscher Unternehmen, die von den Sanktionen oder dem Kriegsgeschehen betroffen sind, werde in vielen Fällen nicht ausreichen. Zumal davon auszugehen sei, dass – analog zu den Maßnahmen, die während der Corona-Pandemie gewährt wurden um eine Pleitewelle zu verhindern – „bereits jetzt insolvente Unternehmen nicht berechtigt sind, diese Förderung zu nutzen“, sagte Niering.

Bislang ist in den Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) davon aber noch nichts zu sehen. Selbst der sprunghafte Anstieg der beantragten Regelinsolvenzen im März 2022 um 27,0% zum Vormonat bewegt sich Niering zufolge „in den üblichen Jahresschwankungen“. Für Februar meldet Destatis ein Plus von 4,2%. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen gibt als Frühindikator Hinweise auf die künftige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen. Der In­solvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) vom März lässt ebenfalls für die nächsten Monate leicht steigende Fallzahlen erwarten. IWH-Experte Steffen Müller verweist ebenfalls darauf, dass sich die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zwar noch nicht in den aktuellen Zahlen zeigen, „aber die gestiegenen Energiekosten infolge des Krieges dürften die Industrie stark belasten“. Im Januar hatten laut Destatis die deutschen Amtsgerichte 1057 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das waren 4,6% weniger als im Vorjahr und rund 34% weniger als im Januar 2020, also vor der Corona-Pandemie. Die meisten Pleiten gab es Destatis zufolge bei Unternehmen aus Bau und Handel.

Das IWH sieht das Insolvenzgeschehen seit einigen Monaten von der Industrie geprägt. In den ersten drei Monaten 2022 entfielen 45% der betroffenen Jobs bei den 10% der größten Insolvenzen auf die Indus­trie. Im Februar aber hat die Zahl der Beschäftigten in der Industrie um 0,7% zum Vorjahr noch zugelegt. Im Januar hatte die Beschäftigtenzahl erstmals seit September 2019 zugenommen, betonte Destatis. Im Februar verzeichneten fast alle großen Branchen Zuwächse. Dass die Entgelte um 10,6% im Jahresvergleich zugelegt hatten, führen die Statistiker auf im Februar geleistete Sonderzahlungen in einigen Branchen für das Jahr 2021 zurück. Die geleisteten 681 Millionen Arbeitsstunden entsprachen dem Vorjahresniveau.