Großbritannien

Revolte gegen Boris Johnson

Der britische Premierminister Boris Johnson hat eine empfindliche Schlappe im Unterhaus erlitten. Zahlreiche Tory-Abgeordnete stimmten gegen seinen „Plan B“ für den Umgang mit der Pandemie.

Revolte gegen Boris Johnson

hip London

Der britische Premierminister Boris Johnson hat am Dienstagabend eine empfindliche Schlappe im Unterhaus erlitten. Die Konservativen haben im Unterhaus zwar eine Mehrheit von 80 Sitzen. Doch votierten 96 Tories, gegen die Einführung einer Pflicht, Impfausweise vorzulegen. Der „Spectator“ hatte zuvor 86 konservative Gegner der neuen Corona-Restriktionen aufgelistet. Nachdem Labour-Führer Keir Starmer erklärt hatte, seine Partei unterstütze die neuen Maßnahmen, bestand zwar nie die Chance, dass Johnson damit Schiffbruch erleiden würde. Am Ende wurden sie von 369 der insgesamt 650 Abgeordneten befürwortet. Wenn aber so viele Abgeordnete gegen die Regierung stimmen, bedeutet das, dass sie in einer so wichtigen Frage über keine eigene Mehrheit verfügt.

In Großbritannien gibt es keine Ausweispflicht. Der Widerstand dagegen, Impfausweise vorlegen zu müssen, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, ist groß – selbst wenn es nur, wie in diesem Fall, um den Zugang zu Discos und Großveranstaltungen geht. „Wir leben in diesem Land in einer freien Gesellschaft, in der die Menschen die Freiheit haben, mit ihrem Körper zu machen, was sie wollen, und Versammlungsfreiheit genießen“, sagte der Tory-Abgeordnete Marcus Fysh. „Das ist hier nicht Nazi-Deutschland.“ Für diesen Vergleich wurde er heftig kritisiert. Allerdings fürchten viele Tories, dass das Land dadurch auf eine schiefe Bahn Richtung Autoritarismus gebracht werden könnte. Damit werde der Rubikon überschritten, sagte etwa der Abgeordnete Steve Brine. Der ehemalige Privatsekretär von David Cameron, Desmond Swayne, fragte, ob eigentlich irgendjemand die „außerordentlichen Extrapolationen“ der wissenschaftlichen Berater ernst nehme, und mokierte sich über „stalinistische Geister“ und das „Ministerium der Angst“. Andrew Bridgen warnte vor einer „Epidemie der Angst“. Mark Harper fragte nach der „Exit-Strategie“ der Regierung.

Gesundheitsminister Sajid Javid versprach, dass die neuen Maßnahmen keinen Tag länger als erforderlich in Kraft bleiben werden. Er musste zugeben, dass 94 000 Mitarbeiter des National Health Service (NHS) immer noch nicht überredet werden konnten, sich impfen zu lassen.

Unterdessen deuteten die neuesten Arbeitsmarktdaten darauf hin, dass das Ende der Lohnsubventionierung durch die Regierung zu keinen schwerwiegenden Verwerfungen geführt hat. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, stieg in den zwei Monaten seit Auslaufen des Coronavirus Job Retention Programme die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 331000 oder 1,1 %. Die Arbeitslosenquote für die drei Monate per Ende Oktober ging von 4,3 % auf 4,2 % zurück. Die Einkommen inklusive Sonderzahlungen stiegen derweil im Vorjahresvergleich um 4,9 %. Dem ONS zufolge spielen verzerrende Effekte, die sich etwa daraus ergaben, dass Geringverdiener während der Pandemie zuerst ihre Jobs verloren, keine große Rolle mehr.

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