Kriegsfolgen

Rezession noch kein Szenario für EU

Die EU bereitet ein neues Sanktionspaket gegen Russland vor. Die EU-Kommission erwartet noch keine Rezession durch den Krieg. Dieser bringt aber Bewegung in die Debatte um die Fiskalregeln.

Rezession noch kein Szenario für EU

ahe Luxemburg

Die EU-Kommission rechnet aufgrund des Krieges in der Ukraine mit einer „substanziellen Abschwächung“ der europäischen Konjunktur, will aber von einer Rezession weiterhin nichts wissen. Dies machte Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Montag im Vorfeld einer Eurogruppen-Tagung in Luxemburg deutlich. Konkrete quantitative Auswirkungen des Krieges sowie der EU-Sanktionen gegen Russland wollte Dombrovskis aber erneut nicht nennen. Die EU-Kommission will Mitte Mai eine neue Prognose vorlegen. Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe betonte am Montagabend nach den Beratungen, der Krieg werde Auswirkungen auf die Lebensstandards haben. Allerdings habe es vor Ausbruch einen starken Aufschwung gegeben. Daher seien noch positive Wachstumszahlen für 2022 zu erwarten.

In der Eurogruppe wächst die Erwartung, dass die Brüsseler Behörde bei der Gelegenheit auch vorschlagen wird, die Haushaltsregeln für ein weiteres Jahr auszusetzen. Diese sollten eigentlich ab Anfang 2023 wieder gelten. Die zuständigen Ministerinnen von Spanien und der Niederlande, Nadia Calviño und Sigrid Kaag, sagten, sie erwarteten, dass die längere Aussetzung der Budgetregeln ohne größere Debatten der EU-Staaten akzeptiert werde.

Calviño und Kaag stellten in Luxemburg ein gemeinsames Positionspapier zur Reform der Fiskalregeln vor, das unter anderem länderspezifische Schuldenabbaupfade beinhaltet. Ihre Initiative begründeten sie damit, dass sich die EU in der jetzigen schwierigen Situation auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen und möglichst schnell bei den Budgetregeln sowie ebenso bei der Banken- und der Kapitalmarktunion vorankommen müsse.

Studie: Zoll wäre effektiver

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der am Wochenende bereits von „Wohlstandsverlusten“ gesprochen hatte, forderte in Luxemburg, auch Unternehmen in der jetzigen Situation mehr zu helfen. Kurzfristig gehe es auch darum, „die Existenzgefährdung von Betrieben abzuwenden“, betonte er. Dabei müssten die EU und die Eurogruppe sehr koordiniert vorgehen.

Lindner sowie weitere Euro-Finanzminister unterstützen ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland, das jetzt in Brüssel vorbereitet wird. Hintergrund des Schritts sind unter anderem die Gräueltaten mit Hunderten Toten im Kiewer Vorort Butscha, die die russische Armee verübt haben soll. Welche Maßnahmen das dann mittlerweile fünfte Sanktionspaket beinhalten soll, blieb am Montag allerdings vorerst unklar – vor allem, da eine Einigung auf einen Stopp der russischen Energieimporte weiterhin nicht absehbar ist.

Lindner betonte noch einmal, dass zwar die Absicht bestehe, „schnellstmöglich“ unabhängig von den russischen Importen zu werden. Allerdings sei Erdgas „kurzfristig nicht substituierbar“. Unterstützung kam einmal mehr von Lindners österreichischem Kollegen Magnus Brunner. Sanktionen seien nur sinnvoll, wenn sie einen selbst nicht mehr träfen als den zu Treffenden. Man müsse einen kühlen Kopf bewahren, besonders bei einem Gas-Embargo, sagte Brunner in Luxemburg.

Ein spürbarer EU-weiter Zoll auf russische Energieimporte wäre einer neuen französischen Studie zufolge auch wirksamer als ein komplettes Einfuhrverbot. Ein Strafzoll von 40% würde die Einfuhrmengen um etwa 80% senken, heißt es in der Analyse des Sachverständigenrates Conseil d’Analyse Économique, der dem Büro des französischen Regierungschefs unterstellt ist. Die verbleibenden 20% würden demnach an die Länder gehen, die am stärksten von den russischen Lieferungen abhängig seien.

Laut der Studie würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland bei einem kompletten Stopp russischer Energielieferungen im pessimistischsten Szenario um bis zu 3% sinken. In Frankreich wären es nur 0,3%. In einigen osteuropäischen Ländern wie Litauen, Bulgarien, der Slowakei oder Tschechien oder auch Finnland wird hingegen ein Einbruch des BIP von sogar bis zu 5% für möglich gehalten.

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