Brexit-Nachwehen

Sunak will Nordirland vom Tisch haben

Geht es nach den Spindoktoren des britischen Premierministers, steht eine Einigung im Streit mit der EU um das Nordirland-Protokoll unmittelbar bevor. Doch ohne die nordirischen Unionisten geht es nicht.

Sunak will Nordirland vom Tisch haben

Von Andreas Hippin, London

Die britische Regierung hat sich in den vergangenen Wochen große Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, eine Einigung im Streit um das Nordirland-Protokoll stehe unmittelbar bevor. Nun dreht Premierminister Rishi Sunak richtig auf. Während sich Außenminister James Cleverly mit dem EU-Kommissionsvize Maros Sefkovic in Brüssel traf, setzte sich Sunak in Nordirland mit Vertretern von Unionisten und Nationalisten zusammen. Reisediplomatie vom Feinsten: Am Wochenende will der britische Regierungschef am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen, um vielleicht schon am Dienstag dem Unterhaus einen Deal vorlegen zu können – so geben britische Medien das wieder, was aus der Downing Street an sie durchgestochen wurde. Das Nordirland-Protokoll sollte nach dem Brexit eine harte Grenze durch die Grüne Insel vermeiden. Dabei entstand jedoch eine Zollgrenze durch das Vereinigte Königreich, die für erhebliche Schwierigkeiten im innerbritischen Warenverkehr sorgt. Alle bisherigen Versuche, das Problem zu lösen, verliefen ergebnislos.

„Wir haben immer geglaubt, dass ein Deal zum Protokoll möglich ist, und wir haben immer gewusst, dass einer gebraucht wird“, sagte Mary Lou McDonald, die Führerin der nationalistischen Partei Sinn Féin nach einem Gespräch mit Sunak. „Es ist klar, dass wesentliche Fortschritte gemacht worden sind, und wir fühlen uns davon sehr ermutigt. Jetzt würden wir gerne einen schnellen Abschluss der Sache sehen.“ Nun müsse sichergestellt werden, dass ein Deal den weiteren Zugang zum gemeinsamen Markt der EU, keine Härtung der Grenze durch Irland und den Schutz des Karfreitagsabkommens in allen Aspekten beinhalte.

Die unionistische DUP zeigte sich nach ihrem Gespräch mit Sunak weniger begeistert. „Wir haben bislang keinen endgültigen Text einer Einigung gesehen,“ sagte DUP-Chef Jefferey Donaldson. Es sei klar, dass es weitere Diskussionen zwischen London und Brüssel geben werde. Man könne mit Sicherheit sagen, dass es über eine Spanne von Themen hinweg Fortschritte gegeben habe, „aber es gibt immer noch einige Gebiete, wo noch mehr Arbeit nötig ist“. Das hätte eigentlich ausreichen müssen, um in Westminster die Alarmglocken schrillen zu lassen. Schließlich hatten die Unionisten den Deal zu Fall gebracht, den einst Theresa May mit Brüssel ausgehandelt hatte. Auch Boris Johnson fuhren sie in die Parade. Donaldson wurde noch deutlicher: „Die Entscheidungen, die der Premierminister und die Europäische Union treffen, werden Nordirland entweder mehr Spaltung auferlegen oder den Weg für eine Heilung und die Wiederherstellung der politischen Institutionen frei machen.“ Die DUP blockiert aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll seit Monaten die Bildung einer handlungsfähigen Regionalregierung. Hört man auf ihren Parteichef, könnte eine Einigung noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Man kann nur hoffen, dass man in Westminster aus den Fehlern der Vorgängerregierungen gelernt hat: Ohne die Zustimmung der Unionisten lässt sich dieser Streit nicht beilegen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.