Monika Schnitzer

„Über einen Energie-Soli nachdenken“

Als Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gehört Monika Schnitzer zu den Top-Beratern der Bundesregierung. Im Interview spricht sie über die hohe Inflation und die Energiekrise.

„Über einen Energie-Soli nachdenken“

Mark Schrörs.

Frau Professor Schnitzer, die Inflation in Deutschland hat die Marke von 10% geknackt. Was droht jetzt noch? Müssen wir uns auf dauerhaft höhere Inflationsraten einstellen?

Es ist davon auszugehen, dass die Inflation auch im nächsten Jahr noch deutlich über der Zielmarke von 2% liegen wird. Die deutlichen Zinserhöhungen der EZB setzen aber das klare Signal, dass einer Verfestigung der Inflation entgegengewirkt werden soll. Mit der Ausweitung der Gasimporte über die LNG-Terminals werden auch die Energiepreise allmählich sinken. Das sollte ebenfalls inflationsdämpfend wirken.

Angesichts der hohen Inflation nehmen die Forderungen nach stark steigenden Löhnen zu. Ist das angemessen, oder braucht es wegen der drohenden Rezession mehr Zurückhaltung?

Die Forderungen nach Lohnsteigerungen sind angesichts der hohen Preissteigerungen verständlich. Gleichzeitig sollte vermieden werden, dass es durch zu hohe Lohnsteigerungen zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt und damit die Inflation weiter verstetigt wird. Deshalb ist eine gezielte Entlastung der unteren Einkommensgruppen, die mit den hohen Preissteigerungen nicht zurechtkommen, essenziell. Auch die Möglichkeit, dass Arbeitgeber bis zu 3000 Euro steuerfrei als Pauschalzahlung anbieten können, könnte den Druck reduzieren, einen vollständigen Ausgleich der Inflation durch eine Tariflohnerhöhung zu erreichen.

Wie viel sozialen Sprengstoff bergen die Energiekrise und die hohe Inflation? Droht eine Spaltung der Gesellschaft oder eine Demokratiekrise?

Die aktuellen Krisen in so kurzer Folge stellen die Gesellschaft in der Tat auf eine schwere Belastungsprobe. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, ist es wichtig, transparent zu kommunizieren, welche Belastungen auf die Bevölkerung zukommen, und durch zielgerichtete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass diese Belastungen gerecht verteilt werden.

Die Bundesregierung hat bereits drei Entlastungspakete beschlossen. Braucht es jetzt mehr? Wo sollten die Prioritäten liegen?

Die in den Entlastungspaketen vorgesehenen Maßnahmen sollten jetzt zügig umgesetzt werden, wie zum Beispiel die Implementierung einer Strompreisbremse. Auch die Frage, wie zielgerichtete Entlastungen bei den hohen Gaspreisen für Haushalte und Unternehmen ermöglicht werden können, sollte schnell geklärt werden. Wichtig ist auch, zielgerichtete Unternehmenshilfen auf den Weg zu bringen, wobei darauf geachtet werden sollte, wer bei längerfristig hohen Energiepreisen noch ein funktionierendes Ge­schäftsmodell hat.

Rechtfertigt die Energiekrise eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse? Was halten Sie von dem Vorschlag eines Sondervermögens ähnlich wie bei der Bundeswehr?

Es erscheint mir unrealistisch, dass die geplanten Entlastungsmaßnahmen und die aller Voraussicht nach noch notwendigen Unterstützungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen im nächsten Jahr aus dem laufenden Haushalt gestemmt werden können. Genau für solche Fälle gibt es ja die Möglichkeit, die Ausnahmeregel der Schuldenbremse zu ziehen. Das wäre aus meiner Sicht das transparenteste Verfahren, um eine Schuldenfinanzierung möglich zu machen. Komplementär könnte man auch über eine zeitlich begrenzte Steuererhöhung nachdenken, zum Beispiel in Form eines Energie-Solis, also eines prozentualen Aufschlags auf die Einkommensteuer.

Die Fragen stellte

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