Konjunktur

Wirtschaft lässt Corona hinter sich

Der Polykrise zum Trotz hat die deutsche Wirtschaft 2022 das Vorkrisenniveau übertroffen. Zudem dürfte die erwartete Winterrezession ausfallen, da das Statistische Bundesamt im Schlussabschnitt mit einer Stagnation rechnet.

Wirtschaft lässt Corona hinter sich

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft hat trotz des Gegenwinds aus Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, hoher Inflation und andauernden Lieferproblemen 2022 zugelegt. Die erste Schätzung des Statistischen Bundesamts (Destatis) für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) traf mit preisbereinigt 1,9% die Voraussagen der Ökonomen. Zudem könnte die erwartete Winterrezession ausfallen: „Nach bisherigen Ergebnissen“, so erklärte die neue Destatis-Chefin Ruth Brand, stagnierte das BIP im Schlussabschnitt, nachdem es im dritten Quartal noch um 0,4% zugelegt hatte. Experten hatten prognostiziert, dass die hiesige Wirtschaft sowohl zu Jahresende 2022 als auch im Startquartal 2023 schrumpft – zwei Negativ-Quartale in Folge werden als technische Rezession gewertet. Die erste Schnellmeldung zum vierten Quartal veröffentlicht Destatis am 30. Januar.

Stagnation im Schlussquartal

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, dass die wirtschaftliche Abschwächung über das Winterhalbjahr „milder und kürzer sein wird als erwartet“. Damit „zeigt dieses Land, was es kann“. Im vergangenen Jahr habe sich die Wirtschaft als „erfreulich widerstandsfähig“ erwiesen. Auch wenn zu Jahresbeginn, also vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs, noch ein fast doppelt so großes BIP-Plus erwartet worden war und der Anstieg des Jahres 2021 mit 2,6% wesentlich üppiger ausgefallen war, so übertrifft das BIP nun das Vor-Corona-Niveau um 0,7%. Dass das Wachstum hierzulande geringer als im Schnitt des Euroraums – die EU-Kommission erwartet ein Plus von 3,2% – ausgefallen ist, erklärte Destatis-Chefin Brand mit den entsprechend geringeren Einbußen im ersten Coronajahr 2020. Neben Deutschland dürfte wohl die EU insgesamt sowie Frankreich und Italien 2022 das Vorkrisenniveau überschritten haben. China und die USA hatten dies bereits 2021 geschafft.

Das Ende der coronabedingten Restriktionen sorgte denn auch für Schwung: Als Wachstumstreiber erwiesen sich die privaten Konsumausgaben. Sie stiegen preisbereinigt um 4,6% im Vergleich zum Vorjahr und erreichten damit fast das Vorkrisenniveau von 2019. Besonders deutlich, so erklärten die Wiesbadener Statistiker, zeigte sich dies bei den Ausgaben für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen im In­land (+45,4%) sowie im Bereich Freizeit, Unterhaltung und Kultur (+13,2%). Gespart wurde hingegen bei Nahrungsmitteln und Erdgas – den beiden Treibern der Inflation. Der Nachholbedarf nach den Corona-Schutzmaßnahmen, die um 5,9% gestiegenen Bruttolöhne und -gehälter sowie die aufgelaufenen Corona-Zwangsersparnisse und die staatlichen Hilfsmaßnahmen dürften den Privatkonsum getrieben haben. Dahingegen hat die rekordhohe Inflation von 7,9% an der Kaufkraft der Verbraucher genagt. Die Sparquote sank um 4 Prozentpunkte auf 11,2% – zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 lag sie bei 10,9%. Auch wenn die Konsumlaune zuletzt wieder zugelegt hat und der Hochpunkt der Inflationsraten wohl überschritten ist, so erwarten Experten für 2023 nur wenig vom privaten Verbrauch. Für Zuversicht sorgt der robuste Arbeitsmarkt: Mit 45,6 Millionen Erwerbs­tätigen wurde das 2019 erreichte Rekordhoch überschritten.

Außenhandel bremst

Als zweite Wachstumsstütze machen die Statistiker die Ausrüstungsinvestitionen – vor allem in Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge – aus, die um 2,5% höher als im Vorjahr ausfielen. Auch beim Staatskonsum (+1,1%) zeigt sich das Abebben der Corona-Pandemie, wenn auch deutlich mehr Geld ausgegeben wurde, „um die zahlreichen Schutzsuchenden aus der Ukraine und anderen Staaten zu verpflegen und unterzubringen“.

Die Bauinvestitionen nahmen hingegen um 1,6% ab. Neben Material- und Fachkräftemangel machen der Branche nun auch die steigenden Baukosten zu schaffen. Der Außenbeitrag wirkte sich Destatis zufolge bremsend aus, da die Importe mit 6,7% sehr viel stärker zulegten als die Exporte mit 3,2%.