Konjunktur

Wirtschaftsstimmung in Euroland immer trüber

Das Geschäftsklima in der Eurozone fällt laut ESI-Barometer der EU-Kommission den sechsten Monat nacheinander. Sorgenkind bleibt die Industrie. Stimmungskiller gibt es gleich mehrere.

Wirtschaftsstimmung in Euroland immer trüber

ast Frankfurt

Die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern in der Eurozone hat im August noch einmal deutlich mehr gelitten als im Juli. Der European Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission ist um 1,3 auf nun noch 97,6 Punkte für den gemeinsamen Währungsraum gefallen. Es handelt sich bereits um den sechsten Rückgang in Folge. Experten hatten nur einen Rückgang auf 98,0 Zähler auf dem Zettel. Für die Europäische Union steht ein Minus von 1,0 Zählern auf nun 96,5 Punkte zu Buche (siehe Grafik). Der Indikator liegt inzwischen unterhalb seines langfristigen Durchschnitts – und lässt wenig Hoffnung auf Besserung zu. Die Rezessionsängste erhalten neue Nahrung.

Eine besonders deutliche Ab­schwächung des Vertrauens vermerkten die Ökonomen der EU-Kommission in ihrer monatlichen Umfrage im verarbeitenden Gewerbe. Der Indikator nahm um 1,4 Punkte ab. Die befragten Unternehmer schätzen die Gesamtauftragslage derzeit erneut schlechter ein. Zudem sind die Lagerbestände hoch, was auf einen schwächeren Absatz hindeutet. Ebenfalls verschlechtert hat sich die Einschätzung zu den Exportaufträgen und zur bisherigen Produktion. Die Produktionserwartungen für die kommenden drei Monate sind hingegen leicht angestiegen.

Etwas weniger macht sich der Abschwung bei den Dienstleistern bemerkbar. Den Rückgang des Unterindikators für das Geschäftsklima im Servicesektor um 0,9 Punkte führen die Statistiker darauf zurück, dass die Komponenten recht weit in die Vergangenheit reichen. Demnach beurteilen die befragten Dienstleister die bisherige Geschäftslage und Nachfrage etwas schlechter. Für die kommenden Monate erwarten sie aber eine Besserung. Baugewerbe und Einzelhandel verharrten in etwa auf dem Stand von Juli. Bert Colijn, Ökonom der niederländischen Bank ING, meint: „Eine Rezession rückt näher, da die Unternehmen die Konjunktur derzeit immer pessimistischer einschätzen.“

Verbraucher halten Stellung

Nach zehn Rückgängen in Folge hat sich das Verbrauchervertrauen überraschend um 1,0 Zähler leicht verbessert. Im Juli war der Indikator auf ein Allzeittief gesunken. Zwar ist der August noch immer der zweitschlechteste Monat der Reihe, die Konsumenten schätzen ihre bisherige finanzielle Lage aber praktisch unverändert ein und blicken etwas positiver in ihre finanzielle Zukunft. Auch ihre Erwartungen in Bezug auf die allgemeine Wirtschaftslage haben sich gegenüber Juli etwas gebessert.

Besonders stark trübte sich die Stimmung in den Niederlanden (−4,8), Deutschland (−2,5) und Frankreich (−1,8) ein. In Spanien ging es hingegen bergauf (+0,8). Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine befeuerte Energiekrise sowie die anhaltend hohe Inflation gelten aktuell als größte Stimmungsbremsen. Für die Euro-Inflation im August wird diesen Mittwoch eine Teuerungsrate von 9% oder gar darüber erwartet. Allerdings wächst die Hoffnung, dass der Höhepunkt bald überschritten sein könnte. So erklärt ING-Ökonom Colijn, „die sich rasch abschwächende Konjunktur kühlt die Inflationsaussichten deutlich ab“. Auch die Lieferengpässe, verursacht durch den Ukraine-Krieg und die rigide Corona-Politik in China, haben sich noch nicht aufgelöst.

Stabile Beschäftigungslage

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird im Kampf gegen den starken Preisauftrieb nächste Woche aller Voraussicht nach zum zweiten Mal die Leitzinsen erhöhen, nachdem sie auf ihrer Juli-Sitzung die geldpolitische Wende eingeleitet hat. Am Geldmarkt wird inzwischen auf eine sehr große Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte spekuliert – eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt ist bereits eingepreist.

Der Indikator der Beschäftigungserwartungen (EEI) stabilisierte sich (+0,4) nach zwei Monaten mit deutlichen Verlusten, was auf optimistischere Beschäftigungspläne im Dienstleistungssektor, im Einzelhandel und im Baugewerbe hindeutet. In der Industrie hingegen verschlechterten sich die Erwartungen erneut. Die Erwartungen der Verbraucher in Sachen Arbeitslosigkeit, die im Gesamtindikator nicht enthalten sind, blieben praktisch unverändert.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.