Insolvenzen 2023

Zahl der Firmenpleiten schwillt stark an

Immer mehr deutsche Unternehmen müssen Konkurs anmelden, weil sie in einem Umfeld schlechter Konjunktur, höherer Zinsen und steigender Kosten nicht mehr über die Runden kommen. Der Druck auf die Regierung, die Standortbedingungen zu verbessern und die Konjunktur anzukurbeln, wird immer größer.

Zahl der Firmenpleiten schwillt stark an

Zahl der Firmenpleiten schwillt stark an

Schlechte Konjunktur, höhere Zinsen und steigende Kosten fordern ihren Tribut von deutschen Unternehmen

lz Frankfurt

Die flaue Konjunktur, hohe Inflation, steigende Kreditkosten und weitere Standortprobleme, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verschlechtern, haben die Zahl der Firmenpleiten 2023 anschwellen lassen. Und auch in den ersten Monaten des laufenden Jahres ging die Zahl der Insolvenzanträge weiter nach oben. Allerdings vermeiden Experten noch den Begriff „Pleitewelle“, weil das Niveau der Insolvenzen im langjährigen Vergleich noch keine Spitzenwerte erreicht.

Wie das Statistische Bundesamt meldet, erhöhte sich die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2023 um 22,1% auf 17.814. Verglichen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 gab es allerdings 5,0% weniger Pleiten. „Im historischen Vergleich war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sehr niedrig“, so das Fazit der Statistiker. Während der Finanzkrise 2009 etwa sei sie mit 32.687 weit höher ausgefallen.

Forderungen von 26,6 Mrd. Euro

Die Forderungen der Gläubiger aus den im vergangenen Jahr gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf rund 26,6 Mrd. Euro. Das ist deutlich mehr als 2022 mit rund 14,8 Mrd. Euro. Grund dafür ist ein Anstieg um 38% bei den Großinsolvenzen mit Forderungen von mindestens 25 Mill. Euro je Einzelfall. Zuletzt sorgten Insolvenzen bekannter Unternehmen vor allem im Modehandel für Schlagzeilen: Peek & Cloppenburg, Gerry Weber, Reno, Salamander, Görtz oder Signa Sports United.

Mittelstandsexperte Marc Evers von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erwartet 2024 noch mehr Konkurse: „Die großen konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen am Standort Deutschland setzen der Wirtschaft zu“, betont er. „Daher ist leider auch für die kommenden Monate von einer weiteren Zunahme der Unternehmensinsolvenzen auszugehen.“ Immer mehr Unternehmen würden von Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kunden berichten. Besonders im Bereich der Gesundheits- und sozialen Dienste oder auch bei Kfz-Handel- und Reparatur sei der Anteil der Betriebe, die von zunehmenden Forderungsausfällen betroffen seien, auf ein Viertel gestiegen, ergab eine DIHK-Umfrage.

Mehr Konkurse 2024 erwartet

Experten wie Reint Gropp, Leiter des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), sind mit dem Begriff der Insolvenzwelle noch vorsichtig – trotz der aktuell hohen Zahl an Unternehmensinsolvenzen: „Wir rechnen nicht damit, dass die Insolvenzzahlen jetzt wieder fallen. Aber ob das jetzt eine Welle ist, kann ich nicht sagen.“

Durch die wieder höheren Zinsen wird zudem ein Problem sichtbar, das im Niedrigzinsumfeld der Vorjahre praktisch keine Rolle spielte: Schwache Firmen mit fundamentalen Produktivitätsproblemen konnten sich seinerzeit noch durch billige Kredite günstig mit Liquidität versorgen. In einem Umfeld hoher Zinsen ist das aber nicht mehr möglich. Deshalb geraten immer mehr in eine Schieflage.

Schwieriger Jahresstart

Der Start für das laufende Jahr deutet bereits auf ein schwieriges Jahr hin. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen im Februar stieg um 18,1% zum Vorjahresmonat, nachdem es im Januar sogar eine Zunahme um 26,2% gegeben hatte. „Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, so die Statistiker. Die Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein. Es gibt also eine Verzögerung: Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt oft annähernd drei Monate davor.

Bau- und Gastgewerbe unter Druck

Im vergangenen Jahr entfielen nach Angaben des Bundesamtes die meisten Firmenpleiten je 10.000 Unternehmen auf Verkehr und Lagerei mit etwa 107 Fällen. Auch im Bau- und Gastgewerbe waren die Quoten vergleichsweise hoch. Besonders schwierig ist der Auskunftei Creditreform zufolge die Lage in der Gastronomie. Etwa jedes zehnte Gastronomieunternehmen habe 2023 aufgegeben: 14.000 Fälle. Besonders betroffen waren zudem Caterer (plus 67%). Die Aussichten für die Branche sind nach Einschätzung des Creditreform-Ökonomen Patrik-Ludwig Hantzsch alles andere als rosig: „Unsere Auswertungen lassen einen weiter anhaltenden Insolvenztrend im Gastgewerbe erwarten. Die Welle hat gerade erst begonnen.“

Die deutsche Wirtschaft ist 2023 um 0,3% geschrumpft – auch weil Verbraucher sich angesichts einer hohen Inflation beim Geldausgeben extrem zurückhielten, während sich Kredite durch die straffere Geldpolitik der EZB spürbar verteuerten, was den Konsum ebenfalls bremste. 

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