Russland-Krieg

Ampel-Regierung auf Sicherheitskurs

Der Krieg Russlands in der Ukraine fordert mehr Ausgaben für Sicherheit. Die Ampel-Regierung muss neue Verteilungskämpfe bestehen.

Ampel-Regierung auf Sicherheitskurs

Es sind Tage, in denen politische Entscheidungen schneller fallen, als dass man ihre Folgen schon voll absehen könnte. In Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine politische Zeitenwende eingeleitet. Die Ampel ist aus der selbst gewählten Rolle der Klimaretter und Digital-Transformateure in ein neues Feld katapultiert worden. Sicherheitsfragen, der Schutz von Demokratie und Parlamentarismus, der Beistand für Verbündete und neue haushaltspolitische Herausforderungen stehen mit dem plötzlichen Krieg in Europa im Mittelpunkt. Geschlossenheit demonstrierten alle Fraktionen am Sonntag im Parlament, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Waffenlieferungen in die Ukraine und eine massive Aufstockung des deutschen Verteidigungsetats ankündigte. Nur die AfD distanziert sich deutlich. Besonders SPD und Grüne vollziehen im Zeichen des Kriegs eine Wende, die vor wenigen Tagen kaum für möglich gehalten worden wäre.

Mit dem Angriff auf die Ukraine wurde deutlich: Russlands Präsident Wladimir Putin tritt Verträge und Absprachen mit den Füßen. Die internationale Weltordnung ignoriert er und bricht bewusst Regeln. Während er dem deutschen Kanzler in Moskau noch Gesprächsbereitschaft und Rückzug signalisierte, setzte er seine Truppen schon in Marsch und schlug kurz darauf blutig in der Ukraine los. Putins Sprache ist Gewalt. Darauf antworten die EU und die deutsche Regierung in einer Form, die Putin versteht: mit scharfen Wirtschaftssanktionen, Waffenlieferungen an die Ukraine und der Aufrüstung der militärischen Abschreckung hierzulande. Das Sanktionspaket ist groß dimensioniert. Das internationale Zahlungssystem Swift wird für russische Banken weitreichend gekappt. Nur noch wenige Verbindungen zur Bezahlung von Gaslieferungen bleiben offen. Die Kosten für das Finanzsystem und die hiesige Wirtschaft werden auch hierzulande hoch sein. Es ist der Preis der Freiheit.

Eine späte Kehrtwende hat Deutschland bei Waffenlieferungen vollzogen. Diese Regierung, aber auch ihre Vorgängerin, hatten sich mit dieser Entscheidung lang zurückgehalten, um Putin nicht zur reizen. Nun unterstützt Deutschland im Konzert mit anderen EU-Staaten die ukrainische Abwehr mit Waffen. Für den viele Jahre schmal gefahrenen deutschen Verteidigungsetat kündigten Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Scholz eine enorme Finanzspritze an. Mit 100 Mrd. Euro Kreditermächtigungen für mehre Jahre will die Bundesregierung den Wehretat von knapp 50 Mrd. Euro um rund um die Hälfte auf die vereinbarte Nato-Quote von jährlich 2% des Bruttoinlandsprodukts aufstocken – und zwar nicht erst 2024, sondern bereits in diesem Jahr. Nach vielen Jahren der Sparsamkeit will Berlin die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr absichern. Ähnlich wie die Ampel den Energie- und Klimafonds mit 60 Mrd. Euro an der Schuldenbremse vorbei mit Kreditermächtigungen vollgepumpt hat, will sie auch für die Bundeswehr neue Schulden über ein Sondervermögen machen. Die Mittel können später sukzessive mit der Beschaffung durch die Bundeswehr über den Kapitalmarkt refinanziert werden und abfließen. Auf die Schuldenbremse werden sie mit dieser Methode nicht angerechnet. Rein rechnerisch reicht der Topf für fünf Jahre bis 2026. Das Konzept eines Fonds für langfristige Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr ist klug. Rüstungsgüter haben lange Bestell- und Auslieferungsfristen, die nicht mit der jährlichen Haushaltsplanung zusammenpassen. Keineswegs geboten ist es aber, die Mittel an der Schuldenbremse vorbei aus Krediten zu finanzieren.

Wenn nationale Sicherheit, Abschreckung und Bündnisfähigkeit in der Nato in einer viel labileren Weltordnung zur Daueraufgabe werden, gehören die Kosten in den laufenden Haushalt. Daraus kann das Sondervermögen der Bundeswehr regelmäßig dotiert werden und Reserven ansammeln. Die Schuldenbremse behielte ihre disziplinierende Funktion. Auch Finanzstabilität bietet Sicherheit. Die neue Aufgabe wird zu politischen Verteilungskämpfen führen. Denn nicht nur die Bundeswehr ist in der aktuellen Lage gefragt, auch die Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine wird die öffentlichen Kassen zumindest temporär strapazieren. Eine autarke, von Russland unabhängige Energieversorgung wird die Kosten nach oben treiben. Diese neuen Verteilungskämpfe muss die Ampel-Koalition meistern. Alle, die am Sonntag im Bundestag Beifall gespendet haben, werden daran gemessen. Die Bewährungsprobe der Ampel in der Zeitenwende steht noch bevor.

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