Geldpolitik

Auch die Fiskalpolitik braucht eine Zeitenwende

EZB-Geldpolitik und öffentliche Verschuldung sind der Nährboden für die aktuellen Inflationsraten, stellt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e. V., im Gastbeitrag fest. Er fordert eine Zeitenwende in der Fiskalpolitik.

Auch die Fiskalpolitik braucht eine Zeitenwende

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Ende Februar als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine eine Zeitenwende angekündigt. Doch nicht nur geopolitisch war diese längst überfällig, sie ist auch in der Fiskalpolitik dringend notwendig. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Fiskalpolitik durch die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), der daraus resultierenden Schuldenpolitik der EU-Mitglieder und aktionistischer Regulierungen der Finanzmärkte geprägt. Die nun erreichten Inflationsraten sind daher keinesfalls kurzfristig oder gar überraschend auftretende Effekte. Sie sind Folge einer bewussten Politik, die, aller Mahnung zum Trotz, Fehlinterpretationen und daraus abgeleitete Handlungsweisen nicht korrigieren wollte.

Umso irritierender ist es, dass nun teilweise Ansichten vertreten werden, die Inflation sei das Ergebnis vorübergehender Sonderfaktoren und würde lediglich durch den Ukraine-Krieg etwas länger anhalten. Doch die Inflation hat sich bereits vor der Eskalation wie ein Lauffeuer ihren Weg durch die Brieftaschen der Bürger gebahnt. Dieser Krieg ist also nicht die Brandursache, sondern der Brandbeschleuniger, der die bereits vorhandenen Effekte weiter verstärkt.

Doch wie löschen wir diesen Brand? Natürlich wäre Prävention besser gewesen als die nun notwendigen Reaktionen, die die Politik vor schwere Herausforderungen stellen wird. In der Vergangenheit war die Erhöhung des Zinsniveaus ein gängiges Mittel, um den Effekt der Inflation abzuschwächen. Doch aufgrund der expansiven Geldpolitik der EZB und des kontinuierlichen Absenkens des Zinsniveaus wurden die EU-Staaten dazu verleitet, einer ungezügelten Schuldenpolitik nachzugehen. Die durchschnittliche Verschuldung der Mitglieder der Eurozone liegt bereits bei mehr als 100% des Bruttoinlandsprodukts. Die vermeintliche Gewissheit für die EU-Staaten, dass Schulden nichts kosten, stellt die EZB nun jedoch vor ein Dilemma nie da gewesenen Ausmaßes. Denn die Verschuldung ist teilweise so hoch, dass die EZB die Zinsen faktisch gar nicht erhöhen kann, ohne die finanzielle Handlungsunfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten zu riskieren. Dies darf jedoch keinesfalls als Ausrede für ein „Weiter so“ dienen. Im Gegenteil, dieser Zustand verdeutlicht die Notwendigkeit einer Zeitenwende in der Fiskalpolitik.

Schuldenstände senken

Zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der EZB ist es notwendig, die Schuldenstände der EU-Staaten zurückzuführen und die bisherige Haushaltspolitik der Staaten zu überdenken. Zu lange haben sich die einzelnen Regierungen der Versuchung hingegeben, ihre Vorhaben über Schulden zu finanzieren, ohne die langfristigen Effekte zu beachten. Dies gilt im Hinblick auf den aktuellen Entwurf zum Bundeshaushaltsgesetz 2022, dem Ergänzungshaushalt und den zwei geplanten Sondervermögen insbesondere auch für Deutschland.

Ein makaberes Beispiel dafür, dass es bisher am notwendigen Umdenken in der Haushaltspolitik fehlt, sind hierbei die Maßnahmenpakete zur Bekämpfung der Auswirkungen der Inflation. Zwar sind Bestrebungen der Ampel-Koalition, die Auswirkungen abzumildern, unterstützenswert, doch die Herangehensweise ist die falsche. Die EZB-Geldpolitik führte zur Schuldenpolitik der Bundesregierung. Beide Handlungsweisen zusammen haben den Nährboden für die aktuellen Inflationsraten geliefert. Die Maßnahmenpakete der Bundesregierung zur Bekämpfung der Inflation sind ebenfalls schuldenfinanziert, konterkarieren auf mittelfristiger Sicht damit ihre eigene Zielsetzung und heizen die Inflation weiter an.

Schuldenbremse einhalten

Auf den Punkt: Auch defizitfinanzierte Hilfen gegen hohe Energiepreise wirken inflationär. Richtiger wäre es, alle Maßnahmen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel und unter Einhaltung der Schuldenbremse zu finanzieren und im Haushalt abzubilden. Dies würde sowohl die Symptome und vor allem die Ursache der Inflation bekämpfen. Dafür müssten selbstverständlich alle Vorhaben des Koalitionsvertrags auf den Prüfstand gestellt und priorisiert werden, statt die Vereinbarungen, die vor der Zeitenwende verhandelt wurden, ungeachtet ihrer Auswirkungen stur abzuarbeiten.

Ebenso müssen den reflexartigen Forderungen nach Steuererhöhungen, zur Finanzierung der aktuellen Herausforderungen, eine klare Absage erteilt werden. Zum einen belegt Deutschland bei der Steuer- und Abgabenlast sowohl für die Bevölkerung wie auch die Unternehmen bereits einen unrühmlichen Spitzenplatz im internationalen Vergleich. Dies schädigt die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Zum anderen bewegen sich die Steuereinnahmen wieder im Bereich der Pre-Covid-Zeit. Somit stehen grundsätzlich ausreichend Mittel zur Verfügung, wenn diese zumindest teilweise in wachstumsgenerierende Vorhaben investiert werden. Diese wiederum stimulieren Investitionen aus der Privatwirtschaft. Nur so ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Finanzbedarf des Bundes und der Rückkehr zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik aufzulösen.

Europaweite Aufgabe

Diese Rückkehr zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik muss jedoch von allen EU-Staaten umgesetzt werden. Damit wird die EZB in die Lage versetzt, das Zinsniveau endlich anzuheben und der Inflation entgegenzutreten. Vorhaben wie der EU-Resilienzfonds, der zu einer weiteren Verschuldung führt, ist nicht zuletzt deshalb das falsche Instrument zur falschen Zeit – immer weitere Schulden sind einfach kein effektives Mittel gegen Schuldenprobleme und deren Auswirkungen. Wir brauchen jetzt eine Zeitenwende in der Fiskalpolitik, um den Wohlstand Europas auch für die kommenden Generationen zu erhalten.

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.

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