Aktienmarkt

Das Umfeld bleibt ungemütlich

Die Aussicht auf langsamer steigende Leitzinsen haben die Aktienmärkte getrieben. Anleger sollten sich nicht zu viel erhoffen. Denn ein echter „Gamechanger“ ist das letztlich nicht.

Das Umfeld bleibt ungemütlich

Der wegen der großen Crashs der Jahre 1929 und 1987 gefürchtete Oktober ist für die Aktienmärkte in diesem Jahr ein goldener gewesen. Im Dax steht ein Plus von nahezu 10% zu Buche, der Dow Jones beeindruckt mit einem Gewinn von 14%, sein stärkster monatlicher Anstieg seit 1976. Die Rally ist umso beeindruckender, als sie in einem Umfeld erheblicher Unsicherheit und makroökonomischer Risiken erfolgt ist. Damit stellt sich auch erneut die Frage, ob es sich auch dieses Mal nur um eine Bärenmarkt-Rally handelt oder aber der Boden nun gesehen worden ist.

Zu einem erheblichen Teil ist die Rally technischer Natur. Der Markt war stark ausverkauft, die Stimmung tief im Keller – beste Voraussetzungen für eine Gegenbewegung. Getrieben wurde der Anstieg jedoch vor allem von Zinshoffnungen beziehungsweise der Erwartung, dass die Notenbanken dazu übergehen, ihre Leitzinsen langsamer anzuheben, und deren Hoch auch nicht mehr weit entfernt ist. Diese Hoffnungen haben den Anstieg der Renditen an den Anleihemärkten ausgebremst, die Verzinsungen haben sich recht deutlich von ihren bisherigen Hochs wieder entfernt. Aus Sicht der Aktienmärkte bedeutet die Begrenzung des Renditeanstiegs abnehmende Belastungen auf der Bewertungsseite sowie reduzierte Risiken auf der Finanzierungsseite.

Zu viel sollten sich die Anleger aber nicht erhoffen. Dass die Aktienmärkte bereits ihre tiefsten Stände hinter sich haben, kann derzeit keineswegs bereits mit Sicherheit gesagt werden. Wenn die US-Zentralbank nach ihrer geldpolitischen Tagung zu verstehen geben sollte, dass die nächsten Zinsschritte kleiner ausfallen werden, bedeutet das nicht unbedingt eine Überraschung, die man als „Gamechanger“ bezeichnen könnte. Schließlich nähert sich die Fed mit der zu erwartenden erneuten Zinserhöhung ihrer eigenen Projektion für das Hoch des aktuellen Zinszyklus so weit an, dass sie mit einer Beibehaltung des Anhebungstempos schon bald aufhören müsste, den Leitzins zu erhöhen, selbst wenn die Inflation – wie mit den jüngsten Daten – bis auf weiteres noch nicht mitspielen will. Die Verkündung eines langsameren Zinserhöhungstempos könnte in dieser Gemengelage eine „Buy-the-Rumour-Sell-the-Fact“-Reaktion nach sich ziehen.

Überdies bedeutet eine gebremste Gangart, dass die Zinsen bis auf weiteres eben weiter steigen und, wenn sich die hohe Inflation als weiter hartnäckig erweisen sollte, dann auch über einen nicht allzu geringen Zeitraum auf erhöhtem Niveau verharren werden. Damit besteht unverändert das Risiko, dass die steigenden Leitzinsen, neben anderen Faktoren wie den hohen Energiepreisen, zu einem wirtschaftlichen Abschwung beziehungsweise einer Rezession führen werden. Für die ebenfalls für die Aktienmarktbewertungen wichtigen Unternehmensgewinne bedeutet das nichts Gutes.

In der Berichtssaison zum dritten Quartal wird das bereits sichtbar. Die von den Unternehmen vorgelegten Zahlen bieten ein durchwachsenes Bild, mit sich eintrübender Tendenz. Mit Ausnahme von Apple haben dabei gerade die Tech-Riesen enttäuscht, und die Gründe wie fallende Digitalwerbeeinnahmen, sinkende PC-Verkaufzahlen und dadurch gedrückter Software-Absatz, zurückhaltendes Ausgabeverhalten von Konsumenten und Unternehmen etc. sind nicht gerade beruhigend. Hinzu kommt, dass auf die Tech-Riesen in den zurückliegenden Jahren ein Großteil der Performance und des Firmengewinnwachstums des US-Aktienmarkts entfiel. Laut der UBS deuten die bisherigen Berichte – nachdem nach Marktkapitalisierung 70% der S&P-500-Unternehmen Zahlen vorgelegt haben – auf ein Gewinnwachstum im Vorjahresvergleich von nur noch 1 bis 3% statt der zuvor erwarteten 3 bis 5%. Nur 64% der Unternehmen haben die Erwartungen geschlagen, was sich mit einem Fünfjahresdurchschnitt von 75% vergleicht, das Ausmaß der Abweichung nach oben betrug nur 1% bei einem fünfjährigen Durchschnitt von 8%. Das Institut glaubt, dass die Gewinne 2023 um 4% sinken werden.

Zwar nehmen Aktienmärkte das Tief der Unternehmensgewinnentwicklung üblicherweise vorweg und drehen somit vorher nach oben. Der Rückgang der Gewinne und der Ergebniserwartungen des Marktes ist aber noch nicht so weit fortgeschritten, dass man das Tief schon in der nahen Zukunft vermuten könnte. Neben den noch bevorstehenden Hochpunkten der Leitzinsen spricht auch das dafür, dass das Umfeld für den Aktienmarkt in der nächsten Zeit vorerst ungemütlich bleiben wird.

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