Tiefgreifende Umbrüche

Der Kryptomarkt läuft auf eine Weggabelung zu

Der Kryptomarkt befindet sich in einer Phase tiefgreifender Umbrüche. Während Cyberdevisen wie Ether oder ADA davon profitieren, droht Marktprimus Bitcoin auf die Verliererstraße einzubiegen.

Der Kryptomarkt läuft auf eine Weggabelung zu

Der Kryptomarkt befindet sich selbst für seine wechselhaften Verhältnisse in einer Phase tiefgreifender Umbrüche. Da sind natürlich die regulatorischen Entwicklungen der vergangenen Monate, darunter das harte Vorgehen chinesischer Behörden gegen die Cyberdevisen. Zudem dringt der SEC-Vorsitzende Gary Gensler auf die Verabschiedung eines Gesetzes im US-Kongress, das der Börsenaufsicht die rechtliche Befugnis zur Überwachung von Kryptobörsen geben würde. Diese Vorgänge sind hochgradig kursrelevant, allerdings stehen am Kryptomarkt nun technologische Neuerungen im Mittelpunkt.

So steckt das Ethereum-Netzwerk in einer Umstellung, durch die es sicherer, effizienter und umweltfreundlicher werden soll. Ein wichtiger Schritt dazu ist mit der Anfang August vollzogenen „London Hard Fork“ bereits getan. Damit änderte sich die Gebührenstruktur für Transaktionen auf Ethereum, zudem vernichtet das Netzwerk nun auf einen Teil der als Entlohnung an die Miner entrichteten Einheiten der zugehörigen Kryptowährung Ether. Über weitere Updates soll der Konsensmechanismus der Blockchain, der bei der Entstehung neuer Ether-Einheiten zum Einsatz kommt, nach Angaben der Entwickler bis Jahresende vom energieintensiven „Proof of Work“-Ver­fahren auf die umweltfreundlichere „Proof of Stake“-Variante umgestellt werden.

Angesichts des Nachhaltigkeitstrends an den Märkten ist dies eine Umwälzung, die das Segment der Cyberdevisen auf eine Weggabelung zutreibt. Denn Bitcoin ist praktisch auf das „Proof of Work“-Verfahren festgelegt, eine Umstellung würde wohl einen zu starken Eingriff in die Grundstruktur der zugehörigen Blockchain bedeuten. Die künftigen strukturellen Unterschiede zwischen Bitcoin und Ether dürften dazu beitragen, dass sich die bisher stark positive Korrelation zwischen den Cyberdevisen abschwächen wird – zumal auch andere Vorteile von Ethereum verstärkt in den Fokus der Mainstream-Anleger rücken. Schließlich stellt das Netzwerk die wichtigste Grundlage für das Trendthema des dezentralisierten Finanzwesens (DeFi) dar. Der Grundgedanke hinter DeFi besteht darin, auf zentrale Intermediäre wie Börsenmakler und Banken zu verzichten. Stattdessen soll eine offene, transparente und nutzergeführte Finanzinfrastruktur entstehen. Ethereum ist als Technologie dafür prädestiniert, weil das Netzwerk im Gegensatz zur Bitcoin-Blockchain mit Smart Contracts beschrieben werden kann. Dabei handelt es sich um Computerprotokolle, die Verträge abbilden sowie Transaktionen automatisiert und dezentral ausführen können. Smart Contracts mit DeFi-Bezug sind seit Jahresbeginn gewaltige Mittel zugeflossen. Eine wachsende Zahl an Beobachtern hält infolge des Dezentralisierungstrends sogar ein sogenanntes „Flippening“, bei dem Ether zur nach Marktkapitalisierung führenden Kryptowährung aufsteigen würde, für möglich. Noch ist die Lücke allerdings groß, Bitcoin ist Stand Montag mehr als 2,3-mal so schwer wie Ether.

Indes droht auch der Nummer 2 des Segments Konkurrenz. Denn bei der Blockchain-Plattform Cardano steht ebenfalls ein Upgrade an, das den Titel „Alonzo“ trägt und nun für den 12. September angesetzt wurde. In dessen Rahmen implementieren die Entwickler auch auf Cardano eine Smart-Contract-Funktion. Die zur Plattform gehörige Kryptowährung ADA ist in Erwartung dieser Neuerung zuletzt auf Rekordfahrt gegangen und in die Top 3 der größten Cyberdevisen aufgestiegen. Marktteilnehmer setzen darauf, dass sich Cardano schnell als ernstzunehmende Grundlage für DeFi etabliert, weil die Plattform bereits auf dem „Proof of Stake“-Mechanismus aufsetzt, während sich die Umstellung des Ethereum-Netzwerks trotz der bereits genommenen Hürden noch hinziehen könnte.

Möglicherweise geht es für die Smart-Contract-geeigneten Blockchains künftig aber gar nicht so sehr darum, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Vielmehr dürfte sich die Durchlässigkeit zwischen ihnen erhöhen. Tatsächlich gibt es bereits Projekte wie Polkadot, die darauf abzielen, unterschiedliche Blockchains miteinander zu verknüpfen und Assets zwischen ihnen austauschbar zu machen. Während dies für Ether und ADA aufgrund der vielseitigen Anwendungsfälle für die ihnen zugrundeliegenden Plattformen spannende Chancen bietet, bleibt Bitcoin durch seine rigide Grundstruktur wohl auf die Rolle als Wertaufbewahrungsmittel beschränkt. Nun läuft die führende Cyberdevise Gefahr, an der bevorstehenden Weggabelung auf die Verliererstraße einzubiegen.

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