LNG

Kampf um Flüssiggas wird zum Preistreiber

Europa will unabhängiger von russischen Energierohstoffen werden. Nun sollen die Importe von Flüssigerdgas angekurbelt werden – doch der LNG-Markt ist umkämpft.

Kampf um Flüssiggas wird zum Preistreiber

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Deutschland will sich aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen befreien – dafür setzt die Bundesregierung jetzt auf Flüssigerdgas (LNG). Sie stellt 1,5 Mrd. Euro für den Kauf von zusätzlichem LNG bereit, auch die EU-Kommission sieht die Flüssig-Variante als Lösung, um sich gegen einen Wegfall der Pipeline-Versorgung abzusichern. Im Januar hatten die Einfuhren das Rekordniveau von 9,53 Mill. Tonnen erreicht, im Februar lagen sie nur knapp unter diesem Wert.

„Der LNG-Anteil an Europas Gasversorgung hat in den vergangenen Jahren stark geschwankt“, sagt Ed Cox, Head of Global LNG beim Daten- und Analysedienstleister ICIS. Zeitweise sei er auf 7% gefallen, im Januar aber auf 32% gestiegen – laut Analysten dürften die Importe im Zuge des Ukraine-Kriegs noch zulegen. Um den Anteil an der Versorgung aber noch signifikant zu steigern, muss zusätzliche Importinfrastruktur in der Europäischen Union her. Deutschland plant den Bau zweier LNG-Terminals, in den Niederlanden und Belgien sowie Polen sollen bestehende Anlagen bis 2024 bzw. 2023 ausgebaut werden. „Doch keine dieser Optionen bietet eine unmittelbare Lösung für eine einschneidende Unterversorgung und mehr Kapazität führt nicht automatisch zu einem höheren Angebot“, wendet Cox ein. Der Großteil der europäischen LNG-Einfuhren werde auf flexibler Basis bereitgestellt und fließe an andere Abnehmer, wenn diese attraktivere Preise böten.

Gerade in Asien herrscht eine enorm hohe Nachfrage nach Flüssigerdgas, schließlich verfügt Japan als Inselstaat naturgemäß über keine Pipeline-Anbindungen, während Südkorea auf Land nur an Nordkorea grenzt und deshalb ebenfalls auf eine Versorgung per Tanker angewiesen ist. China ist ohnehin bereits zum weltgrößten LNG-Importeur aufgestiegen, laut dem Informationsdienstleister S&P Global könnte die Volksrepublik 2022 neue Aufnahmekapazitäten für bis zu 21,5 Mill. metrische Tonnen pro Jahr schaffen – bereits 2021 waren 14 Mill. Tonnen hinzugekommen. Asiatische Nationen haben sich schon in den Anfangstagen des Ukraine-Konflikts darum bemüht, langfristige Liefervereinbarungen zu schließen.

Flexibilität gegen Sicherheit

Um trotz des Importwettbewerbs die Versorgung mit Flüssigerdgas sicherzustellen, wären Verträge über fixe Belieferungen laut Cox auch für Europa eine Möglichkeit. „Dies könnte jedoch zu Preisaufschlägen führen und die Abnehmer für den Fall, dass die europäische Gasnachfrage zu­rückgeht, ihrer Flexibilität berauben“, betont der ICIS-Analyst.

Benjamin Louvet, Rohstoff-Fondsmanager beim französischen Vermögensverwalter Ofi Asset Management, sieht immerhin den geografischen Vorteil, dass die Schiffsrouten nach Europa für US-Carrier kürzer und damit attraktiver sind als die Verbindungen nach Asien. Allerdings konzentriere sich der Großteil der europäischen Importkapazitäten auf die Westseite des Kontinents. Um LNG von dort aus nach Osten zu transportieren, seien die Pipelines nicht ausreichend ausgebaut.

Dabei ist überdies noch gar nicht einberechnet, dass die Vereinigten Staaten unter den globalen LNG-Exporteuren zwar führend sind, Europa aber auch in hohem Maß von anderen Quellen abhängig ist. So kamen im vergangenen Jahr 27% der europäischen Flüssigerdgas-Einfuhren aus den USA, dicht dahinter folgte Katar mit 24%. Auf dem dritten Platz liegt mit 19% indes der Handelspartner, von dem sich die EU eigentlich abkapseln will: Russland hat seinen Anteil an der europäischen LNG-Versorgung seit der Eröffnung der Jamal-Produktionsstätte im nördlichen Hafen Sabetta im Jahr 2017 kontinuierlich ausgebaut. Zwar will Katar seine Flüssigerdgas-Produktion im laufenden Jahrzehnt kräftig ausbauen, zudem dürften neue Projekte laut Analysten den US-Output anschieben. In den nächsten zwei bis drei Jahren sollte sich das Angebotswachstum nach Einschätzung von ICIS aber in engen Grenzen halten.

Energieprojekte wie LNG Canada, in dessen Zuge in British Columbia ein Terminal für die Verflüssigung, Speicherung und Verladung von Flüssigerdgas entstehen soll, sind durch Fertigungsschwierigkeiten und Lieferkettenunterbrechungen während der Coronakrise ausgebremst worden. Zudem verzögerten sich die Starts anderer Projekte, da die Aussichten für die langfristige Einnahmenentwicklung zwischenzeitlich unklarer geworden waren. Denn der Bau einer Gasverflüssigungsanlage kostet laut der UBS zwischen 5 und 10 Mrd. Dollar – Summen, die angesichts der angestrebten Abkehr von fossilen Brennstoffen viele Marktteilnehmer abschreckten.

Das resultierende Unterangebot und die strukturell höhere Energienachfrage dürften laut Marktstrategen weiterhin zu steigenden Preisen führen. Die asiatische LNG-Benchmark Japan Korea Marker (Platts JKM) ist zuletzt bereits auf 85 Dollar pro Million British Thermal Units gestiegen – zuvor hatte die Notierung nur selten die Marke von 50 Dollar überschritten. Die Rohstoffanalysten von S&P Global rechnen nun damit, dass Asiens LNG-Benchmark relativ betrachtet eine Parität zu den Preisen an den europäischen Erdgas-Knotenpunkten erreichen werde.

Für Investoren stellt sich damit die Frage, inwiefern sie am LNG-Aufschwung partizipieren können. Laut Ryan McGrail, Senior Credit Research Analyst beim Investmenthaus Loomis Sayles, stellen Aktien von Erdgasförderern und katarische Staatsanleihen gangbare Optionen dar. Eine direktere Teilnahme ist über den Terminmarkt möglich – nicht nur über LNG-Fracht-Futures, sondern auch über Kontrakte auf Erdgas, das erst noch verflüssigt werden muss. Die weltgrößte Terminbörse CME rechnet beispielsweise damit, dass die hohe LNG-Nachfrage aus Europa und Asien die globale Führungsrolle der US-Benchmark Henry Hub festigen wird. Allerdings sollten Investoren beachten, dass das monatliche Rollen von Terminkontrakten mit Aufwand und hohen Kosten verbunden ist. Um dies vermeiden zu können, haben einige Banken und Assetmanager inzwischen rolloptimierte Exchange Traded Notes auf verschiedene Rohstoffklassen, darunter auch das so umkämpfte Erdgas, aufgelegt.

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