Digitalisierung

Leitplanken für den Bau der Netze

Das Glasfasernetz in Deutschland wächst langsam, aber es wächst. Allerdings stehen noch einige Punkte auf der regulatorischen Wunschliste der Telekommunikationsbranche.

Leitplanken für den Bau der Netze

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Auch wenn in Deutschland die Aufholjagd bei der als Grundlage einer breiten Digitalisierung geltenden Glasfaserversorgung begonnen hat, sind die regulatorischen Leitplanken dafür noch nicht stabil. So ist aus der Sicht des Branchenverband VATM ein neues Förderregime dringend geboten, das sicherstellt, dass es nicht zu einer Verdrängung oder Entwertung privater Investitionen kommt. Hierfür müssen die Regeln durch die neue Regierung unverzüglich deutlich verbessert werden.

Als problematisch betrachtet VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner vor allem das unrealistische Ziel, bis 2025 eine Abdeckung mit gigabitfähigen Netzen zu erreichen, und überall dort, wo nicht binnen drei Jahren ein eigenwirtschaftlicher Ausbau möglich ist, sofort das staatliche Füllhorn auszugießen. Er fordert „2030 als Zieljahr zu verankern“, und dann solle nur dort der Ausbau mit staatlichen Mitteln gefördert werden, „wo dies wirklich nötig ist“. Sonst würden Fehlanreize geschaffen, die einem rentablen Netzausbau nicht dienlich seien.

Mit einem neuen Förderregime allein ist es allerdings nicht getan. Auch die Regulierung des Netzzugangs beim Glasfaserausbau ist noch offen, so dass die für alle beteiligten Unternehmen notwendige Planungssicherheit fehlt. Eine entsprechende Verfügung der Bundesnetzagentur (BNetzA) hat lange auf sich warten lassen. Nun soll sie in der zweiten Oktoberwoche kommen. Die Behörde hat bereits erkennen lassen, dass sie beim Zugangsregime auf bilaterale kommerzielle Verhandlungen setzt. Solche hat die Deutsche Telekom durchaus schon vielfach abgeschlossen, u.a. auch mit den Wettbewerbern Vodafone, Telefónica Deutschland und 1&1 Drillisch. Ob freiwillige Zugangsangebote („Open Access“) zum Glasfasernetz der Telekom eine Lockerung der Regulierung rechtfertigen und die BNetzA künftig nur noch als Schiedsrichter und Marktbeobachter agiert, der dann im Missbrauchs- und Streitfall eingreift, ist umstritten.

„Nicht tragfähig“

Dies hat zuletzt das Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) gezeigt, das die Genehmigung des Joint Ventures (JV) Glasfaser Nordwest von Telekom und EWE-Tel durch das Bundeskartellamt verworfen und die Begründung für die Freigabe als „nicht tragfähig“ kritisiert hat. Die Wettbewerber Vodafone und Deutsche Glasfaser hatten mit ihrer Klage Erfolg. Da eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof wenig Erfolg verspricht und eine Rückabwicklung des JV ebenfalls ausgeschlossen erscheint, dürften wohl weitere Auflagen des Kartellamts auf die Unternehmen zu­kommen. Die neuerliche Runde durchs Behördendickicht nach den schon ewig langen Geburtswehen des Gemeinschaftsunternehmens ist auch ein Ärgernis für die Beteiligten.

Für die Branche geht es darum, „dass bei einem marktmächtigen Unternehmen vor der Freigabe der Fusion klare Vorgaben im Hinblick auf die Zugangsbedingungen ge­macht werden, die effektiven Wettbewerb ermöglichen. Außerdem sollten diese nicht zeitlich auf wenige Jahre befristet werden, wenn das Gemeinschaftsunternehmen wesentlich länger aktiv sein wird“, erklärte ein Vodafone-Sprecher.

Der VATM teilt die Sorge. „Die Telekom hat sich mindestens 50% Marktanteil bei Glasfaser zum Ziel gesetzt. Das ist Marktbeherrschung mit Ansage“, so Grützner. Wenn jetzt auf eine klare Zugangsregulierung verzichtet werde und diese später aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung der Telekom wieder aufgegriffen werden müsste, entbehre dies für die Unternehmen jeglicher Planungssicherheit. Weil es bereits zahlreiche kommerzielle Vereinbarungen gebe, seien regulatorische Rahmenbedingungen denkbar einfach zu setzen, meint der Verbandsgeschäftsführer. Man könnte „eine Art Mietspiegel“ zugrunde legen.

Derweil läuft der Ausbau von Glasfaser insgesamt schleppend. Im vergangenen Jahr waren erst 1,9 Millionen direkte Anschlüsse an Gebäude oder Wohnungen vermarktet.

Ein weiterer Punkt auf der regulatorischen Wunschliste der Branche an die neue Bundesregierung, bei dem sich alle Netzbetreiber einig sind, betrifft das Mobilfunknetz. Hier stehen die Unternehmen vor milliardenschweren Ausgaben im Netzaufbau und laufen deshalb seit Jahren Sturm gegen teure Frequenzauktionen. Noch unter der alten Regierung ist es mit vereinten Kräften endlich gelungen durchzusetzen, dass jenseits der Auktion noch andere Vergabeformen, etwa gegen Gebühren, in Betracht kommen. Allerdings ist fraglich, welche Realisierungschancen dies hat, wenn nach den hohen Sonderausgaben in der Pandemie in der Kasse des Bundes Ebbe herrscht.

Verlängerung gefordert

Bei Vodafone hofft man daher zumindest, eine anstehende Frequenzauktion vertagen zu können. „Es geht darum, die 2025 auslaufenden Flächenfrequenzen zu verlängern und eine neue Auktion erst durchzuführen, wenn klar ist, dass genügend Frequenzspektrum zur Verfügung steht. Das wird voraussichtlich im Jahr 2030 der Fall sein“, heißt es aus Düsseldorf. Am liebsten wäre den Unternehmen aber gar keine Versteigerung, sondern die Vergabe gegen eine moderate Lizenzgebühr, wie dies etwa in Frankreich Usus ist. Dort haben sich die Netzbetreiber im Gegenzug zu einem schnelleren landesweiten Ausbau verpflichtet. In Deutschland wächst das schnelle Mobilfunknetz (5G) langsam. Von 225000 Basisstationen insgesamt waren im vergangenen Jahr 9% mit 5G versorgt.