Finanzmärkte

Märkte spielen Rezessionskarte

Die Märkte spielen zunehmend die Rezessionskarte. Die Signale, die in dieser Hinsicht von den Finanzmärkten kommen, sprechen eine deutliche Sprache. Es geht bergab.

Märkte spielen Rezessionskarte

Dass die Wirtschaft der Eurozone in die Rezession abgleiten wird, gilt längst als ausgemachte Sache. Es stellt sich nur noch die Frage, wann dies der Fall sein wird und wie heftig die Rezession ausfallen wird. Die Signale von den Kapitalmärkten in dieser Hinsicht sind mittlerweile überdeutlich, und in der Vergangenheit haben sich diese Signale doch als sehr verlässlich herausgestellt. Immer wieder wurden bei vorigen Rezessionen diese Signale zwar in Frage gestellt, nach der Devise: Diese Mal ist alles anders. Und es ist ja auch durchaus legitim, Signale auch mal in Frage zu stellen, schließlich entwickelt sich die Welt weiter. Letztlich behielten die Märkte in diesem Punkt aber praktisch immer wieder recht.

Die USA sind mittlerweile in die Rezession abgeschmiert, denn in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen wies die US-Wirtschaft nicht mehr ein Plus, sondern ein Minus auf. Die britische Wirtschaft befindet sich auf dem besten Weg ins Tal. Die Bank of England rechnet damit, dass es Ende dieses Jahres so weit sein wird und dass die Konjunkturschwäche des Landes das gesamte kommende Jahr anhalten wird. Und die Experten der Ratingagentur Moody’s gehen für die Wirtschaft der Eurozone davon aus, dass die Rezession bis Mitte 2024 anhalten wird. Der Beginn erfolgt danach noch in diesem Jahr. Für die Wirtschaft Großbritanniens gehen sie sogar davon aus, dass die dunkle Phase noch ein Quartal länger anhalten wird.

Von den Devisenmärkten kommen für die Eurozone klare Signale. Die Gemeinschaftswährung ist im Vergleich zum Dollar unter die Parität gerutscht. Das war zuletzt 2002 der Fall. Die Marktteilnehmer stellen sich also darauf ein, dass die Wirtschaft der Eurozone nicht gerade vor einem enormen Aufschwung steht. Geschwächt wird die Währung der Eurozone zudem dadurch, dass davon ausgegangen wird, dass die Europäische Zentralbank (EZB) wohl im September nochmal bei den Zinserhöhungen nachlegen wird. Per se müsste dies die Währung stärken, aber man geht an den Märkten davon aus, dass gerade diese Leitzinssteigerungen, die im Kampf gegen die Inflation erfolgen und vor diesem Hintergrund ja auch richtig erscheinen, dazu führen, die Wirtschaft noch mehr abzuwürgen. Das spiegelt der schwache Euro wider. Ebenso deutlich sind die Signale vom Anleihemarkt. Die US-Zinsstrukturkurve des Staatsanleihemarktes ist invertiert. Regelmäßig gingen Rezessionen der US-Wirtschaft in den vergangenen rund 60 Jahren inverse Zinsstrukturkurven des Bondmarktes im Bereich von zwei bis zehn Jahren Laufzeit oder auch von zwei bis 30 Jahren Fälligkeit voraus, und zwar mit einem Vorlauf von vier bis acht Quartalen. Auch nun ist der Rezession in den USA eine inverse Zinskurve vorausgegangen. Es ging alles nur ein bisschen schneller. Das ist auch kein beruhigendes Signal. Die Intensität der Inversion der US-Renditekurve, d. h., wie stark die langfristigen US-Zinssätze der Anleihen unter den kurzfristigen Renditen liegen, hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das zuletzt vor mehr als zwei Jahrzehnten, also zu Beginn dieses Jahrtausends kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase gesehen wurde. Und in Großbritannien? Dort ist die Wirtschaft zwar noch nicht in die Rezession gerutscht, aber die Kurve der Gilts ist ebenfalls invertiert. Da muss man nur noch eins und eins zusammenzählen, um zu wissen, wohin die Reise geht. In der Eurozone ist die Zinsstrukturkurve der Bundesanleihen zwar noch nicht invertiert, aber sie ist flach: Also Abschwächung der Konjunktur voraus.

Hinzu kommen die Wirkungen vom Energie- und Rohstoffmarkt. Hohe Gaspreise und auch nicht gerade niedrige Ölpreise machen Verbrauchern, aber eben auch der Wirtschaft erheblich zu schaffen. Ob sich diese Preissteigerungen, die den Unternehmen darüber entstehen, immer noch weiter auf Endverbraucher, d. h. private Haushalte, aber auch Unternehmen weitergeben lassen, muss doch zunehmend in Zweifel gezogen werden. Vielmehr ist doch zu befürchten, dass die Unternehmen immer mehr in Bedrängnis geraten. Umsatzrückgänge, Ertragseinbrüche und schmalere Gewinne bzw. auch Verluste sollte man für die Phasen der Berichtssaison für das dritte und vierte Quartal einkalkulieren. Entlassungen von Personal sind damit auch einzuplanen, mit entsprechenden Wirkungen für den privaten Konsum. Das ist nicht gerade der Stoff, aus dem Konjunkturträume gemacht sind. Und genau das wird auch der Aktienmarkt in den kommenden Monaten realisieren müssen. Dies ist das einzige Kapitalmarktsegment, das die Wirtschaftseintrübung derzeit noch nicht widerspiegelt. Aber das kommt noch. Nur eben später. Wie so oft am Aktienmarkt in der Vergangenheit. (Börsen-Zeitung, 26.8.2022)

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