KommentarKünstliche Intelligenz

Mit dem AI Act droht sich Geschichte zu wiederholen

Der Schutz der EU-Bürger vor KI-Gefahren ist ein hehres Ziel. Zu strenge Regulierung in einem frühen Stadium dürfte indes außereuropäische Rivalen stärken. Denn in den USA ist die Regulierungsdebatte zu KI erst am Anfang.

Mit dem AI Act droht sich Geschichte zu wiederholen

Künstliche Intelligenz

Geschichte wiederholt sich

Von Sebastian Schmid

Der Schutz der EU-Bürger vor KI-Gefahren ist ein hehres Ziel. Zu strenge Regulierung in einem frühen Stadium dürfte indes außereuropäische Rivalen stärken.

Historisch“ ist das Wort, das EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton und Kommissionschefin Ursula von der Leyen bemüht haben, um den frisch verabschiedeten „AI Act“ zu loben. Dafür, dass hier Historisches gelungen sein soll, waren die Reaktionen auf die Rahmenvereinbarung zum Umgang mit künstlicher Intelligenz ganz schön verschnupft. Iris Plöger vom BDI sieht die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von Herstellern und Anwendern gefährdet. Einen „regulatorischen Klotz“ hat Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom erkannt. Und selbst Juristen, die potenziell von einer strengen Regulierung profitieren könnten, zeigen sich zurückhaltend. Die Phase jetzt müsse genutzt werden, um die technischen Details auszuarbeiten, sagt etwa Rechtsanwältin Marieke Merkle von der Kanzlei Noerr. Sonst drohe der EU die ungünstigste Kombination: „Unklare Regeln bei hohem Bußgeld.“ Daraus entstehe auch die Gefahr einer Overcompliance.

Halbwegs zufrieden zeigten sich lediglich Verbraucherschützer. Nun ist es ein hehres Ziel, die EU-Bürger vor den Gefahren einer sich rasant weiterentwickelnden KI zu schützen. Allerdings dürfte die Folge forscher Eingriffe in den Markt wohl primär sein, dass die Konkurrenz aus China und den USA die europäischen Wettbewerber abhängen kann. Denn die Amerikaner befinden sich erst am Anfang der Regulierungsgespräche. Verkürzt kann man es so zusammenfassen: Die USA haben einen technologischen Vorsprung, die Europäer einen regulatorischen. Ein zweifelhafter Erfolg. Schließlich ist praktisch jedes US-Quasimonopol im Tech-Sektor entstanden, weil zunächst kein fester Rechtsrahmen bestand. Denn die Nutzer setzen in erster Linie auf Leistungsfähigkeit und Bequemlichkeit. So zu beobachten bei Amazon, Facebook, Google, Microsoft oder Netflix.

Nun mag es Parlamentarier geben, die argumentieren, bei KI und den damit verbundenen Risiken könne man es nicht darauf ankommen lassen. Nur wird die EU kaum verhindern, dass in anderen Regionen Pflöcke eingeschlagen werden. Historisch ist Innovation durch Regulierung kein Erfolgsmodell. Für die technischen Details in der Umsetzung möchte man der EU daher zurufen, bei den Berichtspflichten auf der Bremse zu stehen. Denn junge europäische Start-ups treffen Compliance-Kosten in jedem Fall härter als US-Schwergewichte wie Microsoft – insbesondere in Relation zum Umsatz.