Großbritannien

Wasser­knappheit wäre ohne Verzicht lösbar

Wassermangel ist in Großbritannien ein lösbares Problem: durch neue Leitungen, Reservoirs und Pipelines, vielleicht auch Meerwasserentsalzungsanlagen. Rationierung ist keine Antwort.

Wasser­knappheit wäre ohne Verzicht lösbar

Die Briten sind es gewöhnt, dass Wasser aus dem Hahn kommt, wenn sie ihn aufdrehen. Damit sind sie in Europa nicht allein. Es gehörte bislang zu den Dingen, die man für selbstverständlich halten durfte, wenn man in einem entwickelten Industrieland lebt. Doch nun stehen Millionen Menschen im Vereinigten Königreich Rationierungsmaßnahmen bevor. Ab Freitag dürfen Kunden von Southern Water keine Wassersprinkler mehr in ihren Gärten benutzen, Planschbecken füllen oder Springbrunnen betreiben. Ab kommender Woche drohen auch bei South East Water Restriktionen. Thames Water und South West Water könnten schon bald nachziehen. Schlimmstenfalls könnte be­troffenen Haus­halten – wie im Sommer 1976 – ganz der Hahn zugedreht werden. Dann müssten sie wieder am Hydranten mit Eimern und Kanistern anstehen.

Die Wasserknappheit ist kein unabwendbares Schicksal. Sie hat auch nichts damit zu tun, dass sich der Mensch gegen den Planeten versündigt hat, wie Jünger diverser Weltuntergangssekten behaupten. Weil sie dabei gerne auf die Wissenschaft verweisen, seien deren Erkenntnisse kurz zusammengefasst: Wasser kann nicht zur Neige gehen. Das Wasser der Erde ist zwar nicht vermehrbar, aber es bewegt sich in Kreisläufen. Kein Tropfen Wasser geht verloren. Der durchschnittliche Jahresniederschlag in England und Wales hat sich seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1862 nicht wesentlich verändert. Doch das Wetter war und ist auf den britischen Inseln schlichtweg äußerst wechselhaft. Im Winter regnet es inzwischen mehr, im Sommer ist es trockener – insbesondere im englischen Südosten. Ob das am Klimawandel liegt, spielt eigentlich keine Rolle, denn es lässt sich sowieso nicht mehr zurückdrehen. Wichtiger wäre, sich dieser Entwicklung anzupassen.

Zum Glück verläuft sie bislang doch recht langsam. Den eigenen Wasserverbrauch zu reduzieren, löst das Problem nicht. Es regnet nicht mehr, wenn kürzer geduscht wird. Aber Verzichtsideologien sind gerade en vogue, zumindest bei denjenigen, die den öffentlichen Diskurs bestimmen. Diese geistige Dürre sorgt dafür, dass so schnell keine Abhilfe geschaffen werden muss. Die großen Gewinner sind die Wasserversorger, die in all den Jahren keine ernsthaften Anstrengungen unternommen haben, ihre meist noch aus der viktorianischen Zeit stammenden Anlagen den heutigen Erfordernissen anzupassen – von den Herausforderungen durch den Klimawandel ganz zu schweigen. Lecks im maroden Leitungsnetz sorgen der Zeitung „Times“ zufolge dafür, dass täglich 2,4 Mrd. Liter Wasser ungenutzt versickern. Das entspricht dem Verbrauch von etwa sieben Millionen Privathaushalten. Statt das Leitungsnetz zu erneuern, propagieren die Versorger das Wassersparen.

Wenn die Kunden in dem Glauben, dem Planeten etwas Gutes zu tun, ihren Verbrauch reduzieren, können die Unternehmen ihre Investitionszurückhaltung beibehalten. Den Infrastrukturinvestoren hinter Versorgern wie Thames Water geht es darum, möglichst langfristig eine garantierte Rendite zu erhalten. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, sie haben in der Regel Verbindlichkeiten zu bedienen – etwa aus Altersversorgungsversprechen. Die Frage ist allerdings, zu welchen Bedingungen ihnen das ermöglicht wird. Und damit kommen wir zu einem weiteren Gewinner der Verzichtsdebatte: der kaum in Frage gestellten britischen Aufsicht, von der die Latte stets zu tief gelegt wurde.

Allem Alarmismus zum Trotz hört man auch jetzt nicht viel von ambitionierten Projekten, um die Situation in den Griff zu bekommen. Anglian Water baut eine Pipeline, um Wasser von Lincolnshire nach East Anglia zu transportieren. Das Projekt kommt aber nur im Schneckentempo voran. Das letzte neue Wasserreservoir wurde 1992 von Queen Elizabeth II. eingeweiht. Eine 250 Mill. Pfund teure Meerwasserentsalzungsanlage, die eigens für den Zweck gebaut wurde, die britische Metropole im Falle einer Dürre mit Trinkwasser zu versorgen, hat Thames Water eingemottet – dem örtlichen Unterhausabgeordneten zufolge wegen der hohen Energiekosten.

Großbritannien braucht keine Verzichtsdebatte, sondern ein landesweites Pipelinenetz, das den regnerischen Nordwesten mit dem trockenen Süden verbindet. Es braucht neue Wasserreservoirs, um dem Bevölkerungswachstum seit 1992 Rechnung zu tragen. Und es braucht einen Regulierer, der den Namen verdient. Dann lässt sich die Anpassung an den Klimawandel auch ohne Wiederverstaatlichung bewältigen.

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