Rewe-Chef

Kampf gegen ungerechtfertigte Preisaufschläge

Derart massiven Preiserhöhungen wie in diesem Jahr hat sich der Handel kaum jemals gegenübergesehen. Rewe-Chef Lionel Souque will dagegen ankämpfen.

Kampf gegen ungerechtfertigte Preisaufschläge

Von Annette Becker, Düsseldorf

Es ist ein Dilemma: Die Preise steigen allerorten, ob Rohwaren, Logistik oder Energie. Mit vergleichbaren Preissteigerungen sei die gesamte Lebensmittelbranche – Industrie wie Handel – seit Jahrzehnten nicht konfrontiert gewesen, konstatiert Rewe-Chef Lionel Souque im Pressegespräch vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung. Souque muss es wissen, arbeitet er doch seit 1996 für die Kölner Genossenschaft. Doch nicht jede Preissteigerung, welche die Industrie durchzudrücken versuche, sei auch gerechtfertigt, kommt der Manager, der den zweitgrößten Lebensmittelhändler Deutschlands seit Juli 2017 führt, bei seinem eigentlichen Thema an.

Weite Teile der Konsumgüterindustrie verhielten sich verantwortungsvoll. Doch „ein Großteil sind Trittbrettfahrer“, ereifert sich Souque und kündigt an: „Dagegen kämpfen wir brutal.“ Der 51-Jährige hört sich beinahe an wie sein Vorgänger Alain Caparros, und das liegt nicht nur am französischen Akzent. Auch Caparros hatte aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht, sondern „Klartext reden“ quasi zum persönlichen Markenzeichen erhoben.

Davon ist Souque jedoch weit entfernt, auch wenn er im öffentlichen Auftritt erkennbar an Sicherheit gewonnen hat. Dass er im Pressegespräch die verbale Keule schwingt, hängt vielmehr damit zusammen, dass dem Handel in den Verhandlungen mit den Konsumgütermultis weitgehend die Hände gebunden sind. Das zeigt sich gerade bei Edeka: Die Hamburger Genossenschaft hat sich geweigert, die geforderte Preiserhöhung von Coca-Cola zu akzeptieren, und wird daher nicht mehr beliefert. Dass das beileibe kein Einzelfall ist, zeigen die großen Lücken in den Supermarktregalen, die sich in der gesamten Branche auftun.

Auch Souque mutmaßt, dass die großen Hersteller die Preissteigerungen dazu nutzen, um ihre Margen und damit die Gewinne in die Höhe zu treiben. Der studierte Betriebswirt berichtet aus einem Analystengespräch des US-Getränkeherstellers, in dem dieser die Gewinnsteigerungen auf Kosteneinsparungen zurückführte, um kurz danach gegenüber dem Handel Preiserhöhungen mit Kostensteigerungen zu begründen.

„Vor Kriegsausbruch gab es eine Riesenwelle von Preiserhöhungen, mit Kriegsausbruch die zweite und jetzt kommt die nächste Welle“, veranschaulicht Souque den ungeheuren Preisdruck. Da Rewe über ein großes Eigenmarkensortiment verfügt, traut sich der Rewe-Chef zu, einzuschätzen, welcher Anteil der geforderten Preiserhöhungen aus der Industrie tatsächlich auf Kostensteigerungen zurückzuführen ist und welcher nicht. Entsprechend werde Rewe ein Viertel bis die Hälfte der angekündigten Preissteigerungen nicht akzeptieren, gibt sich Souque kämpferisch. Zugleich ist Rewe mit der französischen Leclerc in einer Einkaufspartnerschaft verbandelt und verfügt daher auch in anderen Ländern über einen guten Einblick.

Zwar komme auch Rewe nicht um Preiserhöhungen umhin, einen Teil der gestiegenen Einkaufspreise werde die Handelsgruppe jedoch zulasten der eigenen Marge nehmen. Einen dreistelligen Millionenbetrag will der Rewe-Chef „in die Handelsspanne investieren“. Souque kann es sportlich nehmen, weiß er seine Eigentümer, die selbständigen Kaufleute, doch hinter sich: „Ich bin froh, dass ich  nicht bei Investoren antanzen muss, unsere Aktionäre lassen uns arbeiten.“

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