WWE

Putsch im Wrestling-Imperium

Das Imperium der Familie McMahon wird derzeit heftig durchgeschüttelt. Denn Patriarch Vince, im Sommer noch unfreiwillig als Chef des Wrestling-Marktführers WWE abgetreten, ist zurück an der Macht.

Putsch im Wrestling-Imperium

Von Alex Wehnert, Frankfurt

In Stamford im US-Bundesstaat Connecticut herrscht Unruhe. Denn in der 135000-Einwohner-Stadt befindet sich das Zentrum des Wrestling-Imperiums der Familie McMahon – dieses wird nun durch einen Putsch erschüttert. Patriarch Vincent Kennedy McMahon („Vince“), nach einem Schweigegeldskandal im Sommer eigentlich unfreiwillig von seinen Posten als Verwaltungsratschef und CEO des Showkampf-Marktführers World Wrestling Entertainment (WWE) zurückgetreten, hat sich wieder die Kontrolle über sein Unternehmen gesichert. Seine Tochter Stephanie, die ihm eigentlich in den Führungsrollen nachgefolgt war, trat am späten Dienstag indes zurück.

Vince, der über die B-Aktie noch immer über 80% der stimmberechtigten WWE-Anteile hält, wählte sich selbst zurück in den Board of Directors, der ihn nun erneut zum Vorsitzenden ernannt hat. Der 77-Jährige brachte seine Vertrauten Michelle Wilson und George Barrios ins Gremium mit, die unter ihm zuvor schon lange als Chief Marketing Officer und CFO aktiv waren. Zwei andere Verwaltungsratsmitglieder mussten da­für mit sofortiger Wirkung ihre Plätze räumen. Alleiniger CEO des Wrestling-Marktführers ist nun Nick Khan, der zuvor gemeinsam mit Stephanie McMahon die Geschäfte führte.

Die an der New York Stock Ex­change gelistete A-Aktie des Unternehmens hat zwischen Mitte der vergangenen Woche, als sich Berichte über eine Rückkehr des Ex-Chefs verdichteten, und Dienstagabend um fast 32% zugelegt – was aber weniger an der Beliebtheit des Patriarchen bei Investoren als an seinen Verkaufsabsichten liegt.

So machen Gerüchte die Runde, dass McMahon eine Veräußerung von WWE an den saudi-arabischen Staatsfonds vereinbart hat. Auch die Walt Disney Company und Comcast, die Mutter des Medienhauses NBC Universal, gelten als mögliche Käufer. McMahon sieht laut Insidern vor der anstehenden Neuverhandlung der TV-Verträge für die Fernsehshows „Raw“ und „Smackdown“ ein enges Fenster, um das Unternehmen zu verkaufen. Zuletzt belief sich die Marktkapitalisierung von WWE auf 6,71 Mrd. Dollar.

Schwere Vorwürfe

Mit den Verkaufsplänen hat McMahon wohl seine eigene Familie überrumpelt. Die gegen den Unternehmer erhobenen Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens galten eigentlich als schwer genug, um ihn für längere Zeit aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Gemäß Berichten des „Wall Street Journal“ soll der Milliardär seit 2006 insgesamt 12 Mill. Dollar an Schweigegeld gezahlt haben, um Übergriffe zu verschleiern. Zudem sind in den vergangenen Monaten weitere Frauen mit millionenschweren Forderungen an McMahon herangetreten – darunter eine ehemalige Ringrichterin, die ihm bereits in den 1990er Jahren erstmals Vergewaltigung vorwarf.

Doch McMahon weist die Anschuldigungen zurück – und dürfte sich auch dadurch in seiner Entscheidung zur Rückkehr bestärkt sehen, dass er bereits zahlreiche Skandale weitgehend unbeschadet überstanden hat. In den Jahren 1993 und 1994 stand er in einem strafrechtlichen Prozess vor Gericht – die New Yorker Bezirksstaatsanwaltschaft warf ihm damals vor, mitverantwortlich für die systematische Versorgung seiner Stars mit Steroiden gewesen zu sein und Wrestler zum Missbrauch der Doping-Substanzen aufgefordert zu haben. Das Verfahren endete damals mit dem Urteil „Nicht schuldig“.

Im Jahr 2007 kam es jedoch zur nächsten großen Doping-Affäre; zahlreiche WWE-Wrestler wurden damals nach Ermittlungen der US-Staatsanwaltschaft als Klienten eines Unternehmens in Orlando, Florida, identifiziert, das seine Kunden mit illegalen Steroiden versorgte. Viele Beobachter wähnten das Unternehmen damals am Ende, folgte der neuerliche Skandal doch auf einen berüchtigten Kriminalfall um einen der Topstars von WWE: Der Wrestler Chris Benoit ermordete im Juni 2007 seine Frau und seinen Sohn, bevor er sich selbst das Leben nahm, und löste öffentliches Entsetzen aus.

Nachdem McMahon trotz dieser aufsehenerregenden Fälle vier Jahrzehnte lang die Führungsposition in seinem Unternehmen behauptet hatte, kam sein Abschied im vergangenen Sommer für viele Beobachter überraschend. Neben Tochter Stephanie wurde Schwiegersohn Paul Levesque zum Profiteur des damaligen Machtwechsels. Der 53-Jährige hat seither die kreative Kontrolle über die Inhalte der Shows des Wrestling-Marktführers inne. Doch in der Vergangenheit bewies McMahon mehrfach, dass er bereit ist, das Geschäft über die Familie zu stellen.

So sägte der Patriarch Anfang 2022 seinen Sohn Shane, damals als Produzent für WWE-Sendungen aktiv, ab – angeblich aus Unzufriedenheit über einen Showkampf beim „Royal Rumble“, einer der wichtigsten Veranstaltungen im Kalender des Wrestling-Marktführers. Auch Levesque degradierte McMahon 2020 laut Insidern aus Enttäuschung darüber, dass die damals vom Schwiegersohn geleitete Nachwuchsshow „NXT“ im TV-Quotenkampf gegen den neuen Konkurrenten All Elite Wrestling (AEW) mehrere empfindliche Niederlagen einstecken musste.

Volatiler Aktienkurs

Gerade Levesques Aufstieg zum Kreativchef zog in den vergangenen Monaten aber ein steigendes Publikumsinteresse an den Flaggschiff-Sendungen „Raw“ und „Smackdown“ nach sich, die Analysten des Researchdienstes Zack’s heben auch die „bemerkenswerten“ Zuschauerzahlen für Sonderevents wie „Clash at the Castle“ oder „Extreme Rules“ seit McMahons Abschied hervor. Dies trieb zunächst auch die WWE-A-Aktie an: Sie legte zwischen dem Abgang McMahons und Anfang Dezember um 23% zu. Doch nachdem im Advent bereits Berichte kursierten, gemäß denen der Ex-Chef eine Rückkehr ins Unternehmen anstrebe, radierte der Titel seine zwischenzeitlichen Gewinne bis Jahresende 2022 fast vollständig aus.

Levesque, unter dem Ringnamen „Triple H“ über 20 Jahre lang als Wrestler für WWE aktiv, ist bei den Fans beliebt. McMahon gilt dagegen als Exzentriker, der die Bindung zur Popkultur verloren hat. Dies war nicht immer so: Der heute 77-Jährige kaufte WWE Anfang der 1980er Jahre von seinem Vater und baute das Unternehmen vom vorwiegend regionalen Wrestling-Veranstalter zur globalen Medienmarke aus.

Vor der Kamera aktiv

Dabei wirkte er auch vor der Kamera mit. In der Rolle als böser Unternehmer war er in den 1990er Jahren in eine Rivalität mit dem Wrestler „Stone Cold“ Steve Austin verstrickt, die WWE in den USA Rekordeinschaltquoten und eine hohe Mainstream-Popularität bescherte. Im Zuge dieses Booms ging das Unternehmen 1999 an die Börse.

Doch McMahon stieg sein Erfolg mit dem Familienunternehmen mitunter zu Kopf. Andere seiner Projekte, darunter die World Bodybuilding Federation oder die 2000 gegründete und 2018 wiederbelebte Football-Liga XFL, brachen bereits nach kurzer Zeit zusammen. Seine Rückkehr zu WWE erfüllt laut Insidern nun Mitarbeiter mit Sorge. Beobachter spekulieren bereits, dass er sich im Zuge eines Verkaufs wieder eine Rolle in der operativen Leitung des Unternehmens sichern könnte – und damit eine stärkere kreative Kontrolle über sein Lebenswerk. In Stamford steht also wohl weitere Unruhe bevor.

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