Portugal

Costa hat freie Hand

Portugals Ministerpräsident António Costa kann mit seiner absoluten Mehrheit frei über die Milliarden aus dem europäischen Wiederaufbaufonds verfügen. Der Sozialist könnte Argumente gegen eine erneute Verschärfung des europäischen Stabilitätspakts liefern.

Costa hat freie Hand

Von mehr als 40% Zuspruch der Wähler und einer absoluten Mehrheit im Parlament, wie sie die Sozialisten von Portugals Ministerpräsident António Costa am Sonntag errungen haben, können die meisten großen Parteien in Europa derzeit nur träumen. Wie wichtig stabile politische Verhältnisse in diesen unruhigen Zeiten sind, sieht man beim Nachbarn Spanien. Dort ringt die Minderheitsregierung aus Sozialisten und Linken diese Woche verzweifelt um die Zustimmung für ihre Arbeitsmarktreform, ein wirtschaftspolitisches Kernprojekt. Auch Costa war in den ersten sechs Jahren seiner Amtszeit auf die Stimmen kleinerer Partner im Parlament angewiesen, bis er im November wegen Differenzen in der Haushaltspolitik mit dem Linken Block und den Kommunisten brach. Seit 2015 hat der Sozialist einen sehr behutsamen Kurs gefahren, bei dem die harten­ Kürzungen aus der Zeit des internationalen Rettungsschirms teils zurückgenommen wurden, gleichzeitig aber auch das Staatsdefizit abgebaut wurde. Die Wähler haben diese Linie honoriert und wollen offenbar vor allem stabile Verhältnisse mit Blick auf die immer noch brisante Lage der Staatsfinanzen – die Verschuldung beträgt 135% der Wirtschaftskraft. Die schlechten Erinnerungen an die Intervention der Troika-Jahre wirken vielleicht noch nach.

Costa hat nun freie Hand und muss sich nicht mehr um die Forderungen der bisherigen Partner nach höheren Ausgaben scheren. Für die Modernisierung der portugiesischen Wirtschaft und eine Stärkung der öffentlichen Ge­sundheitsversorgung und des Bildungssystems können die Sozialisten jetzt auch mit rund 16 Mrd. Euro aus dem europäischen Aufbaufonds rechnen. Costa lässt andererseits keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit zur Haushaltskonsolidierung. Das Staatsdefizit soll im kommenden Jahr wieder unter die 3-Prozent-Marke sinken.

Das kleine Land am Westrand Europas ist ein interessantes Beispiel in der laufenden Debatte über die Neugestaltung des europäischen Stabilitätspaktes. Der harte Sparkurs, der den Portugiesen einst von der Troika verordnet worden war, entpuppte sich als folgenschwerer Fehler, wie auch das Troika-Mitglied IWF im Nachhinein an­erkannte. Statt der aufgezwungenen Austerität von da­mals bekommt Portugal nun aus Brüssel reichlich Geld zum Aus­geben. Costa muss zeigen, dass der Staat mit solchen Investitionen eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und des sozialen Ausgleichs erreichen kann. Das wäre ein Argument gegen ein zu enges Korsett durch den Stabilitätspakt.

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